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Die Tote von Charlottenburg: Kriminalroman (German Edition)

Die Tote von Charlottenburg: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Tote von Charlottenburg: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Susanne Goga
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müssen dem Ergebnis der gerichtsmedizinischen Untersuchung nachgehen«, erklärte Leo. »Daher frage ich Sie beide, ob Sie jemals davon gehört haben, dass Henriette Strauss Mutter eines Kindes war.«
    Bei dem Wort »Mutter« wandte sich Adrian ganz langsam zu Rosa Lehnhardt um.
    »Uns liegen Hinweise vor, die darauf schließen lassen, dass sich Dr.   Strauss irgendwann einmal in einem Sanatorium in Davos aufgehalten hat«, sagte Leo und schaute den jungen Mann scharf an. »Möglicherweise hat sie das Kind dort geboren und danach zur Adoption freigegeben. Dies lässt sich hoffentlich durch entsprechende Nachforschungen vor Ort beweisen.«
    »Das ist doch Unsinn!«, rief Rosa Lehnhardt. »Meine Schwester hatte kein Interesse an eigenen Kindern. Sie wollte Ärztin werden, die Welt bereisen, ein ungebundenes Leben führen. Das hätte sie nie durch eine solche Dummheit aufs Spiel gesetzt.«
    »Ob Dummheit oder nicht, wir haben es hier mit medizinischen Tatsachen zu tun«, entgegnete Leo. »Nicht alle Kinder sind erwünscht. Darum finden sich auch Mittel und Wege, um solche Kinder wegzugeben.«
    Als Adrian mit einem Keuchen aufsprang, drehten sich alle zu ihm um. Er war blass, und an seinem Hals pochte eine Ader. Mit den Händen umklammerte er die Sessellehne. »Wie konntest du nur? Davos   – natürlich.« Er sprach zusammenhanglos. Rosa erhob sich und wollte auf ihn zugehen, doch er wich vor ihr zurück. »Ich habe die Doktorarbeit in deinem Schrank gefunden! Und auf dem alten Chemiekasten war kaum Staub!«
    Leo und Walther sahen einander an, verhielten sich aber ruhig. Hier enthüllte sich etwas vor ihren Augen, sie mussten nur achtgeben.
    Rosa Lehnhardt sah rasch von einem Beamten zum anderen. »Mein Sohn hat eine schwere Zeit hinter sich«, sagte sie entschuldigend. »Er hat Konzerte gegeben und viel gearbeitet, und der Tod seiner Tante hat ihn tief getroffen. Beruhige dich, mein lieber Junge, ich hole dir   …«
    »Nein!«, brach es aus ihm heraus. »Du bist es gewesen! Der Spiegel ist auch weg!«
    Endlich fand Leo einen Ansatzpunkt. »Meinen Sie den Spiegel mit den aufgeklebten Samenkörnern?«
    Adrian fuhr herum, als hätte er ihn völlig vergessen. »Ja, den hat Tante Jette ihr geschenkt! Ich habe Sie angelogen.« Er hielt inne. »Ich muss hier raus!«
    Bevor Leo etwas unternehmen konnte, hatte Adrian ihn mit aller Gewalt beiseitegestoßen und rannte zur Haustürhinaus. »Pass auf sie auf!«, rief Leo seinem Kollegen zu und deutete auf Frau Lehnhardt. »Notfalls hinderst du sie mit Waffengewalt daran, das Haus zu verlassen.«
     
    Adrian lief, wie er noch nie gelaufen war. Er hatte nicht gewusst, dass diese Kraft in ihm steckte, die seine Beine antrieb, seine Lungen mit einem unendlichen Luftstrom füllte. Nur weg von diesem Haus, dieser Frau, die er zweiundzwanzig Jahre lang als Mutter   …
    Nicht daran denken, hämmerte es in ihm. Wenn du nachdenkst, bleibst du stehen. Wenn du stehst, holt es dich ein.
    Irgendwann hörte er Schritte hinter sich. Nicht stehenbleiben, dachte er, schneller. Immer schneller. Er wollte nicht wissen, ob man ihn verfolgte, er wollte gar nichts mehr wissen.
    Dann riskierte er doch einen Blick über die Schulter. Wechsler war etwa fünfzig Meter hinter ihm, er erkannte ihn im Licht der Straßenlaternen. Adrian nahm noch einmal alle Kraft zusammen und trieb sich vorwärts. Es war nicht mehr weit. Er hatte sein Ziel vor Augen.
     
    Leo sah es hinter den Bäumen auftauchen und begriff. Der hohe, eckige Turm, das gelbe Gebäude im italienischen Stil, das in Lichterfelde so fremd wirkte. Lehnhardt wollte zum Bahnhof!
    Dann hielt Leo inne. Der junge Mann rannte nicht zum hell erleuchteten Eingangsportal, sondern bog kurz davor nach rechts ab, lief um den Bahnhof herum und nach links in die Drakestraße.
    Leo folgte Lehnhardt, rutschte aber auf dem nassen Laub aus und konnte sich gerade noch fangen, bevor er aufs Pflaster stürzte. Fluchend stolperte er weiter. Wo wollte Lehnhardt hin?
    Einen Moment lang hatte er ihn aus den Augen verloren.Links lag der Bahnhof, vor ihm die Unterführung, wo die Bahnlinie die Drakestraße kreuzte. Da, eine Bewegung an der Böschung. Das helle, vom Regen durchnässte Jackett leuchtete zwischen den kahlen Büschen auf.
    Leo lief schneller, schob sich im Laufen die nassen Haare aus den Augen. Er spürte es, als er die Böschung neben der Unterführung erreichte. Ein Vibrieren unter seinen Füßen, ein noch fernes Rauschen aus nordöstlicher
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