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Die Tote von Buckingham Palace

Die Tote von Buckingham Palace

Titel: Die Tote von Buckingham Palace
Autoren: Anne Perry
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die Sache nach einem gesellschaftlichen Anlass aussieht. Die anderen drei Herren sind Julius Sorokine, Simnel Marquand und Hamilton Quase. Wir befinden uns bereits seit zwei Tagen hier, und die Gespräche haben äußerst vielversprechend begonnen.«
    Pitt, der stehen geblieben war, beobachtete Dunkeld aufmerksam, während er ihm zuhörte. Das Gesicht des Mannes wirkte angespannt, seine Augen schienen vor Begeisterung zu leuchten. Die Knöchel seiner linken Hand, mit der er die Sessellehne umklammerte, standen weiß hervor.
    »Gestern Abend haben wir den erzielten Fortschritt gefeiert«,
fuhr der Mann fort. »Ich nehme an, dass Sie ein Mann von Welt sind, sodass ich Ihnen nicht alles in Einzelheiten auszumalen brauche? Die Damen haben sich früh zurückgezogen, während Seine Königliche Hoheit und wir in weiblicher Gesellschaft noch ziemlich lange aufgeblieben sind. Es gab sehr guten Kognak, und so waren alle in bester und gelöster Stimmung.« Während er sprach, sah er nicht ein einziges Mal zu Pitt hin, als sei dieser unsichtbar, nichts weiter als ein Diener.
    »Ich verstehe«, sagte Narraway ausdruckslos.
    »Wir haben uns irgendwann nach Mitternacht zurückgezogen«, setzte Dunkeld seinen Bericht fort. »Wie gesagt, bin ich früh wach geworden – ich glaube, gegen sechs. Ich war noch im Morgenmantel, als mir mein Kammerdiener eine Mitteilung brachte, die er telefonisch bekommen hatte. Da es um etwas ging, was der Kronprinz sogleich wissen wollte, habe ich ihm trotz der frühen Stunde meine Aufwartung gemacht. Danach bin ich in mein Zimmer zurückgekehrt, habe mich rasiert, angekleidet und eine Tasse Tee zu mir genommen. Als ich Seine Königliche Hoheit noch einmal aufsuchen wollte, um die Sache weiter mit ihm zu besprechen, sah ich auf dem Gang, dass die Tür der Wäschekammer leicht offen stand.« Seine Stimme klang angespannt. »An und für sich ist das selbstverständlich ohne jede Bedeutung, aber ich nahm einen sonderbaren Geruch wahr und öffnete daher die Tür ein wenig. Da … sah ich … wohl das Schrecklichste, was mir je begegnet ist.« Er öffnete und schloss die Augen rasch und schien eine Weile zu brauchen, um sich wieder zu fassen.
    Narraway sah den Mann unverwandt an, ohne dessen Bericht zu unterbrechen.
    »Eine über und über mit Blut bedeckte unbekleidete Frau«, sagte Dunkeld mit rauer Stimme. »Auch die Wäschestücke um sie herum waren voller Blut.« Er atmete tief. »Anfangs konnte ich nicht glauben, was ich da sah. Ich dachte, ich hätte zu viel getrunken und sähe Gespenster. Ich weiß nicht, wie lange ich an den Türrahmen gelehnt dagestanden habe. Außer mir war niemand im Korridor.«

    Narraway nickte.
    »Als Nächstes habe ich die Tür geschlossen.« Dunkeld schien ein wenig erleichtert, als er das sagte, als könne er auf diese Weise die Schreckensvision gleichsam aussperren. »Dann habe ich Tyndale gerufen, den Mann, der Sie hergebracht hat. Er hat die Aufsicht über das Personal im Gästetrakt. Ihm habe ich gesagt, man habe eine unserer Gesellschafterinnen vom Vorabend tot aufgefunden, weshalb es unerlässlich sei, alle Dienstboten von jenem Gang des Gästetrakts fernzuhalten und den anderen Gästen das Frühstück im Zimmer servieren zu lassen. Anschließend habe ich Sie angerufen.«
    »Ist Seine Königliche Hoheit über diesen Vorfall informiert?«, erkundigte sich Narraway.
    Dunkeld zwinkerte. »Selbstverständlich musste ich ihn davon in Kenntnis setzen. Er hat mich bevollmächtigt, in seinem Namen zu handeln und dafür zu sorgen, dass diese entsetzliche Tragödie möglichst rasch, zugleich aber auch möglichst diskret aufgeklärt wird. Sicherlich ist Ihnen klar, welchen Skandal es bedeuten würde, wenn die Sache an die Öffentlichkeit käme.« Er sagte das mit leicht gehobener Stimme, als wolle er andeuten, dass er sich sowohl auf Narraways Klugheit als auch auf dessen Takt verlasse. Sein Blick war hart und herausfordernd. »Ihre Majestät wird im Lauf der Woche vom Landsitz Osborne House auf der Isle of Wight, wo sie sich seit dem Tod des Prinzgemahls vorwiegend aufhält, hierher zurückkehren, bevor sie nach Schottland auf ihr Schloss Balmoral weiterreist. Die Sache muss unbedingt vorher vollständig aufgeklärt sein. Verstehen Sie mich?«
    Pitt spürte, wie sich sein Magen verkrampfte. Es kam ihm vor, als sei in dem Zimmer nicht genug Luft, um zu atmen. Er war erst wenige Minuten dort und fühlte sich bereits als Gefangener.
    Er musste wohl ein Geräusch verursacht haben,
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