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Die Tote von Buckingham Palace

Die Tote von Buckingham Palace

Titel: Die Tote von Buckingham Palace
Autoren: Anne Perry
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aber noch nicht bereit, sie Narraway mitzuteilen. Wenn er sich irrte, was ohne Weiteres möglich war, musste Narraway unbedingt reinen Herzens sagen können, davon nichts gewusst zu haben. Das hielt Pitt nicht nur für ein Gebot des Anstandes, es war auch die einzige Möglichkeit, seinen Plan in die Tat umzusetzen, denn sobald Narraway wusste, was er insgeheim beabsichtigte, war es seine Pflicht, ihm in den Arm zu fallen und ihn daran zu hindern.
    Pitt trank seine Tasse Tee aus. »Wir sollten in den Palast zurückkehren.
Vielleicht bleibt uns sogar genug Zeit, uns zu waschen und zu rasieren, bevor Watson Forbes offiziell in sein Amt eingesetzt wird. Ich habe ein sauberes Hemd dort. Vielleicht kann Ihnen Tyndale ebenfalls eins besorgen.«
    Narraway warf ihm einen finsteren Blick zu, erhob aber keine Einwände.
    In seinem Zimmer zog Pitt rasch ein sauberes und nicht ganz so zerknittertes Hemd an und eilte dann zum Vorzimmer des Thronsaals, wo alle nervös und mit feierlicher Miene darauf warteten, zur offiziellen Amtseinsetzung Watson Forbes’ eingelassen zu werden. Pitt sah Gracie in ihrem schwarzen Palastdienerinnen-Kleid mit weißem Spitzenhäubchen und weißer Schürze. Bei seinem Anblick wirkte sie sichtlich erleichtert, doch wagte sie nicht, auf ihn zuzugehen, weil alle zu ihm hinsahen, als er eintrat.
    Narraway war noch nicht da.
    Im Bewusstsein der großen Gefahr, die er da auf sich nahm, zögerte Pitt einen Augenblick. Immerhin bestand die Möglichkeit, Narraways Unwillen zu erregen und damit dessen Unterstützung sowie seine Anstellung zu verlieren. Falls er mit seinem Verdacht recht hatte, würde der Kronprinz auf alle Zeiten sein Feind bleiben, auch noch als König. Falls Pitt auf diese Weise bei ihm in Ungnade fiel, wäre damit vor allem für Charlotte jede Hoffnung dahin, irgendwann wieder in die bessere Gesellschaft aufgenommen zu werden. Ihm selbst und seinen Kindern würden alle Türen auf alle Zeiten verschlossen bleiben.
    Doch sofern er den Versuch nicht unternahm, den Fall zu lösen, würde er sich vorwerfen müssen, einen Mann straflos davonkommen lassen zu haben, der immer wieder töten würde, um seine Ziele zu erreichen. Damit würde er einen Teil seines Selbst aufgeben, der sich nie wieder zurückgewinnen ließe.
    Er trat auf Liliane Quase zu. Sie stand einige Schritte hinter ihrem Mann, der sich mit Simnel Marquand unterhielt, so, als decke sie ihm den Rücken.
    »Guten Morgen, Mrs Quase«, sagte Pitt leise. »Das muss für Sie eine entsetzliche Entscheidung gewesen sein.«

    Ihre herrlichen Augen weiteten sich. Mit einem Mal lag abgrundtiefe Angst darin. Sie setzte zum Sprechen an, doch die Worte erstarben ihr in der Kehle. Sie tat einen Schritt von ihm fort, näher zu ihrem Mann hin, die Hand erhoben, als wolle sie ihn berühren.
    Pitt tastete sich mit Worten voran. »Er war bereit, jeden beliebigen Preis zu zahlen, um Ihre Liebe zu erringen, nicht wahr? Sind Sie Ihrerseits bereit, das zuzulassen, selbst wenn es dabei um sein Leben geht? Anfangs sollte er doch die Schuld für den Tod jener Frau auf sich nehmen, und nur weil Dunkeld Sorokine hasste, hat er es sich anders überlegt.«
    »Das können Sie unmöglich wissen …«, setzte sie an und schüttelte den Kopf.
    »Ihr Vater wird dafür sorgen, dass das Bahnprojekt scheitert, das ist Ihnen bekannt. Er hat sein gesamtes Vermögen in Schifffahrtsunternehmen investiert«, fuhr Pitt fort.
    Sie schüttelte den Kopf heftiger. »Nein … da irren Sie.« Ihre Stimme war kaum hörbar.
    »Warum wünscht Ihr Vater den Tod Ihres Mannes? Welches gefährliche Geheimnis kennt er?«
    Sie wandte sich von Pitt ab, und einen Augenblick lang nahm er an, er habe das Spiel verloren.
    Quase, der ihre Panik zu spüren schien, wandte sich zu ihr um. Simnel Marquand ging fort.
    Liliane sah ihren Mann an.
    »Was hast du für ihn getan?«, fragte sie mit zitternder Stimme. »Es hat mit Edens Tod zu tun, oder nicht? Danach war alles anders.«
    Er sah sie mit solcher Qual und zugleich solcher Zärtlichkeit an, dass sie ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt sah. Pitt erkannte, wie sie erstarrte.
    »Eden hat die Frau in Kapstadt umgebracht, nicht wahr?« In ihrer Stimme lag jetzt nicht das geringste Zögern, nicht die Spur von Zweifel. »Ist er wirklich in den Fluss gefallen?«
    Quase gab keine Antwort.

    »War es ein Unfall?«, fuhr sie mit zitternder Stimme fort.
    »Frag nicht, Liliane. Es war besser so, ehrenvoller als ein Gerichtsverfahren und …« Er konnte
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