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Die Tote von Buckingham Palace

Die Tote von Buckingham Palace

Titel: Die Tote von Buckingham Palace
Autoren: Anne Perry
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schüttelte den Kopf. »Der hatte zwar ’ne gebildete Ausdrucksweise, aber das muss nix bedeuten – nich’ mal, dass er Geld hat oder einigermaßen anständig is’. Manche von den angeblich bessren Herr’n sind die Schlimmsten.«
    »Wann sind die beiden gegangen?«
    »Das weiß kein Mensch.«
    »Sind Sie ihnen denn nicht gefolgt?«, fuhr ihn Narraway an. »Später, wenn schon nicht gleich?«
    Der Mann warf ihm einen verschlagenen Blick zu. »Ich werd nich’ dafür bezahlt, die Freier zu vergraulen, sondern dafür, dass ich welche bring.«
    Auf keinen Fall würde der Mann zugeben, dass er ihr gefolgt war, das war Pitt klar. Auf jeden Fall schien er recht genau zu wissen, was geschehen war, würde das aber unter allen Umständen für sich behalten, statt die Polizei bei ihrer Arbeit zu unterstützen. Der Kundenkreis aus besseren Herren, an denen den Betreibern des Bordells lag, würde sich raschestens umorientieren, wenn sich herausstellte, dass sich die Polizei für das Haus interessierte, warum auch immer. Mithin würde er im Interesse des eigenen Überlebens sein Wissen für sich behalten, selbst wenn es ein Verbrechen gegeben hatte. Sofern er und seinesgleichen selbst ermitteln konnten, wer die Frau getötet hatte – und das würden sie mit Sicherheit versuchen –, würden sie das Recht
in die eigenen Hände nehmen. Pitt ging auf, dass er Narraway diese Erwägungen hätte mitteilen müssen, bevor sie den Ort aufgesucht hatten.
    »Selbstverständlich«, gab er dem Türsteher nun scheinbar recht. »Wer wünscht sich schon Zuschauer, wenn er eine der Frauen ein Stück weit die Straße entlang mitnimmt. Wer hat sie gefunden? Sie selbst? Oder sollten wir besser einen anderen fragen?«
    »Ich … äh … ich weiß nich’.«
    Narraway sah schweigend zu Pitt hin.
    »Es wäre besser«, begann Pitt, »wenn wir das nicht mit noch einem anderen besprechen müssen. Nehmen wir einfach an, Sie hatten das Pech, derjenige zu sein, der sie gefunden hat. Das Klügste wäre in dem Fall gewesen, sie an einen anderen Ort zu bringen.« Er stellte das als unumstößliche Tatsache hin. »Letzten Endes läuft alles auf dasselbe hinaus. Die Polizei entdeckt die Leiche, aber das spielt weiter keine Rolle, denn falls ein Freier der Täter war, findet man den nie. Sie bekommt ein anständiges Begräbnis, und die Leute hier im Haus haben keinen Ärger. Stimmt doch?«
    Narraways Augen schienen sich im Licht der Lampe ein wenig zu weiten. Ein ganzes Stück weiter rumpelte ein Fuhrwerk vorüber. In der Stille der Nacht klang der Hufschlag unmäßig laut.
    »Schon«, stimmte der Mann zögernd zu.
    »Und wer hat sie also für Sie beiseitegeschafft? Ich vermute, Sie haben keine Ahnung, was die Leute mit ihr getan haben?«
    »Das will ich auch gar nich’ wiss’n«, stieß der Mann entrüstet hervor.
    »Verständlich. Nun, sie wird auf jeden Fall ein anständiges Begräbnis bekommen, das kann ich Ihnen zusichern.«
    Der junge Mann schien erleichtert. Sein fahles Gesicht entspannte sich ein wenig.
    »Als Gegenleistung wüsste ich gern genau, wie der Mann aussieht, der sie mitgenommen hat, und mit was für einem Fahrzeug sie weggebracht worden ist – Flachwagen, Kutsche, Planwagen oder zweirädrige Karre?«

    »Flachwagen«, gab der Mann Auskunft.
    »Wie sah das Pferd aus?«
    »Was?«
    »Sie hören es doch! Ich will wissen, wie das Pferd ausgesehen hat.«
    Der Mann stieß einen leisen Fluch aus. »Was weiß ich! Da lag unsre Kate mit gebrochenem Genick auf der Straße, und Sie glau’m, dass ich drauf achte, wie der Gaul von dem verdammt’n Fuhrmann ausgeseh’n hat? Irgendwie hell – grau oder so. Was für ’ne Rolle spielt das überhaupt?«
    »Und der Fuhrmann?«, ließ Pitt nicht locker.
    »’n verlotterter alter Knacker. Ich hab ihm ’ne Goldguinee gegeben, damit er se woanders hinbringt, mindestens ’ne Meile weg. Am besten gleich ans andere Themseufer.«
    »Können Sie sich an sein Gesicht erinnern?«
    »Nee!« Wieder fluchte er leise vor sich hin.
    »Versuchen Sie es. Sie können sich damit Ihre Goldguinee zurückverdienen.«
    »Schmales Gesicht, Augen schwarz wie Kohle«, gab der junge Mann prompt Auskunft. »Und er hatte Handschuh’ ohne Finger an, das weiß ich genau.«
    »Danke.« Pitt wandte sich an Narraway. »Haben Sie zufällig eine Goldguinee dabei?«
    Narraway fluchte ebenfalls, erstaunlich geläufig, holte aber die Münze heraus.
    Sie kehrten zur Polizeiwache zurück und dienstverpflichteten jeden dort entbehrlichen
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