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Die tote Schwester - Kriminalroman

Die tote Schwester - Kriminalroman

Titel: Die tote Schwester - Kriminalroman
Autoren: Stephan Brueggenthies
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zwei meiner Kollegen. Es war ein unglaubliches Blutbad. Und wissen Sie, was das Schlimmste war?«
    Weissberg sah Lena und Zbigniew an, seine Augen waren nun etwas feucht.
    »Als wir die Masken von den Typen herunterzogen, sahen wir, dass das Kinder waren. Der eine war vierzehn, der andere sechzehn. Wegen ein bisschen Alkohol und Geld haben die so eine Scheiße gemacht. Und unsere Leute, unser Chef – damals war man der Ansicht, man müsse alles mit eiserner Härte regeln.«
    Er nahm einen Schluck von seinem Bier.
    »Anschließend war ich monatelang in psychiatrischer Behandlung.«
    Zbigniew sah Lena an, sie warf einen unbehaglichen Blick zurück. Weissberg räusperte sich.
    »Aber entschuldigen Sie, das sind alte Geschichten … «
    Zbigniew schüttelte den Kopf.
    »Es ist das, wovon man immer hofft, dass einem so was nie passiert. Dass man im Einsatz niemals mit so einer Situation konfrontiert wird«, sagte er. »Aber es kann … Es kann passieren. Und Fehlentscheidungen der Oberen … Nun ja. Es gab auch in Deutschland einige schlimme Überfälle mit blutigem Ausgang.«
    Weissberg nickte, das war ihm klar. Dennoch, kein Erlebnis war so schlimm wie das eigene.
    »Wie ist denn das Leben so in Deutschland?«, fragte er. »Sie müssen wissen, ich komme ja eigentlich auch daher.«
    Zbigniew sah ihn überrascht an. Der Name, natürlich, aber viele US -Bürger hatten einen deutsch klingenden Namen.
    »Ganz gut, würde ich sagen«, sagte er.
    Lena wirkte unzufrieden.
    »Das meinst du doch nicht ernst. Bei uns stimmt doch überhaupt nichts mehr.«
    Zbigniew runzelte die Stirn. Er ahnte, was sie meinte. Sie hatten bereits oft darüber gesprochen.
    »Na ja. Ich denke, bei uns ist die Schere zwischen Arm und Reich noch nicht so groß wie hier in den USA . In Köln, wo wir wohnen, herrscht eine ganz angenehme Atmosphäre zum Leben … «
    »Hast du schon mal die ganzen Obdachlosen am Ebertplatz gezählt? Hast du die schon mal gefragt, wie es denen geht?«, fragte Lena bissig.
    Weissberg sah sie an, begann zu schmunzeln. Es war deutlich, dass Lenas engagierte Rede ihn erfreute. Vielleicht erinnerte es ihn an jemanden aus seiner Familie oder an seine eigene Jugend.
    Lena bemerkte, dass Weissberg sie anlächelte, und lachte zurück.
    »Ja, ist doch wahr, oder. – Und von wo aus Deutschland kommen Sie her?«
    Ein Blitzen war in Weissbergs Augen zu sehen.
    »Was denken Sie«, sagte er, weiter lächelnd.
    Zbigniew ahnte, was nun kam.
    »Aus Köln«, bestätigte Weissberg ihn. »Was meinen Sie, warum ich die Artikel über Sie so verschlungen habe? Ein Kölner in der New York Times!«
    Zbigniew wusste nicht, dass er es in die New York Times gebracht hatte. Er sollte sich unbedingt die Ausgabe mit dem Artikel besorgen.
    »Allerdings«, fuhr Weissberg fort, »habe ich fast gar keine Erinnerungen an Köln mehr. Bruchstücke. Ich bin 1939 geboren, Sie können sich vorstellen. Ich wurde über eine Fluchtgruppe in die USA gebracht, als ich vier war. Und meine Eltern … Es ist schrecklich.«
    Weissberg verstummte kurz, sprach dann aber leise weiter.
    »Da war auch noch meine Schwester, die gerade auf die Welt kam … Ach, das sind alles Geschichten. Alte Geschichten.«
    In Zbigniews Kopf brach ein Haufen Bilder hervor. Bilder zu Geschichten, von denen man aus dritter Hand gehört hatte, über die man Fernsehdokumentationen gesehen hatte.
    Und hier, ausgerechnet in New York, traf er einen Mann, der diese dunkle Zeit in Deutschland persönlich miterlebt hatte.
    Weissberg räusperte sich und setzte sich auf, schien das Thema wechseln zu wollen.
    »Ich bin dann auf der Lower East Side groß geworden, bei meinem Onkel und meiner Tante, die schon recht früh aus Deutschland emigriert sind, 1934 oder so.«
    Er nahm einen Schluck Bier und erzählte, wie seine Verwandten im damals turbulenten Südosten von Manhattan ein koscheres Restaurant betrieben hatten und zu etwas Geld gekommen waren. »Da trafen sich alle aus dem Block, damals«, lächelte er, »es war ein wunderbarer Ort für ein Kind.«
    »Das heißt, Sie sind Jude?«, fragte Lena unnötigerweise.
    Weissberg lächelte.
    »Ich bin Amerikaner. Aber, ja, wenn Sie so wollen, bin ich Jude.«
    »Und das Restaurant, gibt es das noch?«
    »Leider nicht. Mein Onkel hatte mich vor fünfundzwanzig Jahren gefragt, ob ich es übernehmen will. Ich wollte nicht, hatte ja meinen Job. Sie haben das ganze Haus schließlich verkauft. Es war ein halbes Jahr vor dem Ladenüberfall 1985. Danach hätte ich
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