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Die tote Schwester - Kriminalroman

Die tote Schwester - Kriminalroman

Titel: Die tote Schwester - Kriminalroman
Autoren: Stephan Brueggenthies
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dem Rockefeller Center auch gespürt?«, fragte sie nun.
    Zbigniew nickte.
    Hätte er etwas sagen müssen?
    Wollte sie eine Liebeserklärung? Einen Heiratsantrag?
    Nein. Sie war viel zu jung, sich derartig zu binden.
    Sie würde so etwas überhaupt nicht wollen.
    Im Prinzip waren sie beide viel zu jung dafür.
    Jeder schien darauf zu warten, dass der andere etwas sagte. Doch nichts geschah.
    Plötzlich sprang Lena auf.
    »Okay, dann geh ich schon mal eine rauchen«, flötete sie.
    Rauchen, das schien Lenas neuestes Laster zu sein. Zbigniew wusste nicht genau, ob Lena schon zuvor geraucht hatte – sie hatte es zumindest nie in seiner Anwesenheit getan, niemals nach Zigarettenrauch gerochen. Allerdings waren sie nun erstmals tagelang am Stück zusammen. Sie rauchte, und er wollte nicht nach ihrer Suchthistorie fragen, um nicht kleinkariert zu wirken.
    »Sollen wir nicht erst zahlen, dann können wir den Tisch frei machen«, schlug Zbigniew mit Blick auf die unverändert lange Schlange von wartenden Menschen im Eingang vor.
    Lena zwinkerte einmal. »Du schaffst das schon.«
    Sie drehte sich auf dem Absatz um und ging hinaus.
    Hatte Zbigniew hier irgendeinen Moment verpasst?
    Er kratzte den Rest von seinem Pa-Nang Curry zusammen, aß es auf und bemerkte, wie sogleich die Menschen an der Spitze der Warteschlange angesichts seines leeren Tellers unruhig wurden, ihn hoffnungsvoll beäugten.
    Auch der Herr nebenan warf ihm wieder einen Blick zu.
    Sah er schnell weg, als sein und Zbigniews Blick sich kreuzten?
    Irgendetwas war seltsam.
    Ein Kellner knallte im Vorbeigehen eine Rechnung auf seinen Tisch, obwohl Zbigniew noch gar nicht darum gebeten hatte. Auch die Teller wurden innerhalb der nächsten zehn Sekunden nonchalant abgeräumt.
    Das war New York. Ein Freund hatte Zbigniew mal erzählt, wenn man in Manhattan um acht Uhr abends zum Essen verabredet war, würde die Verabredung gegen neun Uhr wieder aufbrechen, um den nächsten Termin wahrzunehmen.
    Zbigniew entnahm seinem Portemonnaie Geld, legte es neben die Rechnung. Kurze Zeit später holte ein Kellner es mit überfreundlichem Dank ab.
    Der ältere Herr sah ihn weiter aus dem Augenwinkel an. Zbigniew schaute nicht mehr hinüber, aber er spürte es.
    Er ergriff seinen Rucksack sowie Lenas Tasche und zwängte sich an der Schlange der Wartenden vorbei aus dem Lokal hinaus. Im Nu wurde der frei gewordene Tisch besetzt.
    Die New Yorker Kälte schlug Zbigniew entgegen. Aber Raucher waren unerbittlich. Vor der Tür war Lena gerade in eine Unterhaltung mit einem Leidensgenossen vertieft, einem hochgewachsenen Dreißigjährigen, der schon aus der Ferne nach Haargel roch. Der Mann war bemerkenswert elegant gekleidet, Armani, mit nicht minder bemerkenswertem antrainiertem Charisma. Vermutlich ein Wall-Street-Banker.
    Lena unterbrach sofort das Gespräch, als sie Zbigniew bemerkte, und flötete: »This is my boyfriend, Zbigniew.« Der Armaniträger schnellte ein enttäuschtes, aber sehr freundliches »How do you do?« hervor, während Zbigniew im Wesentlichen darüber nachdachte, wie leichtzüngig Lena seinen Namen – S-big-ni-äff – sogar auf Englisch, mit typisch englischer Intonation, ausgesprochen hatte.
    Eigentlich hasste er seinen Namen, aber man konnte ja nichts dagegen tun.
    Lena warf ihre Zigarette fort und trat sie aus. Dann entdeckte sie einen Aschenbecher vorm Restauranteingang. Sie hob schuldbewusst die Kippe auf, drückte sie hinein.
    Zbigniew und Lena verabschiedeten sich höflich von dem Banker und gingen Arm in Arm die ruhige, nächtliche 47. Straße in Richtung Seventh Avenue nach Osten.
    »Er arbeitet als Immobilienmakler, aber eigentlich ist er Bildhauer«, sagte Lena.
    »Der Typ mit dem Gel im Haar?«
    »Ja. Mit der Bildhauerei verdient er nicht genug Geld, deshalb ist er gezwungen, als Immobilienmakler zu arbeiten.«
    »Der Arme.«
    »Das ist nicht so leicht hier. Wusstest du, dass ein Ein-Zimmer-Apartment in Manhattan 1500 Dollar Miete kostet?«
    »Ja.«
    »Da müsstest du neben der Polizei bestimmt auch noch andere Dinge machen.«
    »Ich will ja hier nicht wohnen.«
    »Und wenn ich hier hin wollte?«
    Zbigniew seufzte. Manchmal war es nicht leicht, mit einer Siebzehnjährigen zusammenzusein, selbst wenn diese nun achtzehn geworden war. Die ganzen Träume, die man sich selbst aus sinnvollen Gründen über Jahrzehnte hinweg ausgeredet hatte, waren in Lenas Kopf noch vorhanden.
    An der Ecke zur Seventh Avenue wurde die Straße wieder belebter. Ein
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