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Die Tote im roten Cadillac

Die Tote im roten Cadillac

Titel: Die Tote im roten Cadillac
Autoren: Alexander Borell
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ausgeschaltet. Die Handbremse war nicht angezogen, aber der erste Gang war eingelegt.
    Ich stand vor einem der glattesten und unverschämtesten Morde, die ich je gesehen hatte.
    Eine Weile überlegte ich, ob ich die Umgebung nach der Mordwaffe absuchen sollte, aber dann dachte ich, daß der Bursche, der ein Mädchen so kaltblütig über den Haufen schoß, wohl kaum so dumm sein konnte, die Waffe in der Nähe des Tatortes wegzuwerfen.
    Ich schloß die rechte Tür, ging um den Wagen herum und öffnete vorsichtig die andere, an der das Mädchen saß. In dieser Seitentasche fand ich eine große Flasche Eau de Cologne, dreiviertel voll, und eine halbe Tafel Schokolade.
    Olivia Anderson trug am linken Arm eine kleine goldene Uhr mit elastischem Armband, die genau ging und auf einundzwanzig Uhr sechs Minuten zeigte. Außerdem hatte sie noch ein breites, goldenes Armband, und am Ringfinger der linken Hand einen Platinring mit einem Brillanten von mindestens einem halben Karat.
    Ihre Hand war noch ein wenig warm. Vorsichtig zog ich den Ring von ihrem Finger. Ich hatte richtig vermutet: es war ein Verlobungsring. Die Gravierung lautete:
    »Von Lloyd — 5. 6. 1960«
    Das war also dieses Jahr zu Pfingsten gewesen.
    Ich steckte ihr den Ring wieder an den Finger, machte die Tür zu und ging nochmals auf die andere Wagenseite hinüber. Dort angelte ich mir ihre Handtasche, in der ich aber außer ihrem Paß, den Wagenpapieren, einem Schlüsselbund und einer Geldbörse nichts fand. Die Börse enthielt drei Fünfzig-Dollar-Noten und etwas Kleingeld. Heute nachmittag hatte sie nicht viel Geld bei sich gehabt.
    Die Bäume auf der gegenüberliegenden Straßenseite wurden hell. Rasch legte ich die Handtasche an ihren Platz zurück und schloß die Tür. Dann stellte ich mich mitten auf die Straße und winkte dem Wagen, der aus der Richtung von La Crescenta kam.
    Er stoppte sofort. Ein Mann saß am Steuer. Ich deutete auf Olivias roten Cadillac.
    »Da ist irgendwas passiert. In dem Wagen sitzt ein totes Mädchen. — Schicken Sie doch bitte die Polizei hierher!«
    Er schaute mißtrauisch von mir zu dem Wagen hinüber und wieder zu mir.
    »Ein Mord?« fragte er und spitzte seine dicken Lippen genüßlich.
    »Keine Ahnung«, sagte ich. »Jedenfalls ist das Mädchen tot. Ich bleibe hier, bis die Polizei kommt.«
    Der Mann hatte offensichtlich große Lust, sich das tote Mädchen anzuschauen. Er machte die Tür auf und kletterte schnaufend heraus.
    Er maß mich mit einem Blick, in dem Angst und Anerkennung zugleich lagen, und sagte, während er über die Straße ging:
    »Haben Sie sie umgebracht?«
    »Natürlich«, nickte ich. »Wir haben >Meine Tante — deine Tante< gespielt, und plötzlich war’s geschehen.«
    Er brachte sein dickes Gesicht nahe an die Scheibe, dann ging er um den Wagen herum, und als er das Blut sah, das aus ihrem Kopf gekommen und am Arm heruntergelaufen war, richtete er sich schnell wieder auf.
    »Er—erschossen!« stammelte er. Er war nun viel blasser als vor einer Minute.
    »Tja«, sagte ich. »Und wenn Sie nun nicht sofort in Schwung kommen und die Polizei holen, lege ich Sie auch noch um.«
    Er machte kehrt, stieg wortlos in seinen Wagen und brauste in Richtung zum Sunland Boulevard davon. Zur Sicherheit notierte ich mir die Nummer seines Wagens.
    Dann ging ich wieder zu ihrem Wagen zurück und nahm mir zwei Fünfzig-Dollar-Scheine aus ihrer Geldbörse. Auf die Rückseite einer meiner Visitenkarten schrieb ich:
    »Anzahlung einhundert Dollar richtig erhalten.
    Burbank, 16. 7. 60. Randy Scott«

    Diese Karte steckte ich in ihre Geldbörse.
    Im Augenblick konnte ich nichts anderes mehr tun, als auf die Polizei zu warten. Ich hockte mich in meinen Wagen, ließ beide Türen weit offenstehen und stopfte mir eine Pfeife.
    Der Bergwind brachte von irgendwoher einen schweren, süßlichen Duft von Blüten, die ich nicht kannte. Erst jetzt bemerkte ich, was für einen Spektakel die Zikaden mit ihrem Gezirpe in den Bäumen machten. Irgendwo in der Nähe mußte auch ein Tümpel sein, denn ich hörte Frösche quaken.
    Eine Weile starrte ich in die Dunkelheit und versuchte, mir diesen Nachmittag und mein Gespräch mit Olivia Anderson nochmals genau in die Erinnerung zurückzurufen.
    Etwa um fünfzehn Uhr war das Mädchen in mein Büro gekommen. Ich war gerade ein wenig eingenickt gewesen. Ihr Klingeln hatte mich von meiner Couch hochfahren lassen. Ich ging, noch etwas verschlafen, zur Tür und machte auf.
    Ein Mädchen von etwas
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