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Die Tote im roten Cadillac

Die Tote im roten Cadillac

Titel: Die Tote im roten Cadillac
Autoren: Alexander Borell
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er als einziger einen schwarzen Smoking trug, kam nun ebenfalls mit seinem Glas auf die Terrasse heraus, schaute sich kurz um und trat dann zu meinem Tisch. Er zog sich einen Stuhl zurecht, setzte sich und nickte mir zu.
    »Auch keine Lust zum Tanzen?«
    »Nicht viel«, sagte ich. »Ich halte Trinken für solider.«
    Er lachte, und während er sich eine Zigarette anzündete, hatte ich Zeit, ihn zu beobachten. Er mochte wenig über Dreißig sein, war groß und schlank, aber nicht mager, und hatte dunkelblondes, langes, weiches Haar, das er links gescheitelt trug. Sein Kopf war schmal und seine Stirn hoch. Seine Augen waren grau und hatten auffallend lange, schöngeschwungene Wimpern.
    Es war ein schönes Gesicht, und doch störte mich irgend etwas dran; ich wußte nur noch nicht genau, was es war. Ich sah, daß seine langen, nervösen Hände zitterten.
    »Verzeihung«, sagte ich, »ich kenne hier keinen Menschen. Ich wurde von Miss Olivia eingeladen. Wir sind zusammen im Tuna-Club.«
    Er kniff die Augen ein wenig zusammen und wandte mir sein Gesicht zu. Sein Mund hatte schmale Lippen und wirkte fast ein bißchen verkniffen; aber nun wußte ich, was mir an seinem Gesicht nicht gefiel: Das ausgesprochen schwache und weichliche Kinn.
    »Ich weiß nicht, wo sie steckt«, sagte er. »Sie müßte schon längst hier sein. Sie ist gegen Abend noch einmal in die Stadt gefahren, um etwas zu besorgen, ist aber noch nicht zurückgekommen. Mein Name ist Lloyd Webster. Sind Sie nicht Randolph Scott?«
    Einen Augenblick lang war ich entsetzt. Anscheinend hatte mich Olivia hier unter meinem richtigen Namen angekündigt, was nicht zuletzt meine Schuld war: ich hatte vergessen, mit ihr einen anderen Namen zu vereinbaren. Nun mußte ich sehen, wie ich mich am günstigsten aus der Affäre ziehen konnte.
    Ich verzog mein Gesicht zu einem möglichst albernen Lachen.
    »Ja, wirklich, ich heiße Randolph Scott, genau wie der berühmte Detektiv. Leider verdiene ich nicht annähernd soviel wie er.«
    Ob er das schlucken würde? Es sah fast so aus.
    »So, so«, sagte er ziemlich gleichgültig. »Noch nie was von dieser Berühmtheit gehört. Sie kennen Oliv... Miss Anderson also vom Tuna-Club her?«
    »Ja.«
    »Sie angelt leidenschaftlich gern. Ich mache mir gar nichts daraus.«
    »Ich weiß«, log ich. »Sie hat das schon manchmal bedauert, daß Sie nicht mitkommen.«
    Er blickte mich überrascht an.
    »So? Hat sie das? Das wußte ich gar nicht.« Er blickte zur Halle. »Da kommt gerade die Dame des Hauses, Mrs. Anderson. Wenn es Ihnen recht ist, stelle ich Sie vor.«
    Ich stand auf und folgte ihm.
    Mrs. Anderson, Olivias Stiefmutter, war eine von jenen Frauen, bei denen man immer hereinfiel, wenn man versuchte, ihr Alter zu schätzen. Meistens nannte man weniger Jahre, weil man wußte, daß sie jünger aussah, als sie war, und hinterher war man dann höchst erstaunt, daß sie wirklich noch nicht älter war.
    Sie war groß und schlank, mit einer Figur, wie sie nur in den Vereinigten Staaten hergestellt und in die ganze Welt exportiert wird. Sie trug ein Abendkleid aus Silberlamé, das so eng anlag, daß ein Pennystück, das man ihr in den Ausschnitt werfen würde, nach zwei Stunden kaum einen Zoll tiefer gerutscht wäre. Eine Frau, die bestimmt noch nicht mit den Freuden des Lebens abgeschlossen hatte.
    Um ihren Hals, an dem noch kaum Falten zu sehen waren, schlangen sich einige Reihen rosafarbener Perlen, und in ihrem vollen, tiefschwarzen Haar funkelte über dem linken Ohr ein Brillantclip, von dem ich gut zwei Jahre hätte leben können.
    Lloyd Webster machte eine Handbewegung.
    »Das ist... Mister... äh... «
    »Scott«, sagte ich, »Randolph Scott.«
    »Ja«, bestätigte Lloyd Webster, »das ist Mister Scott. Olivia hat ihn eingeladen. Sie sind zusammen im Tuna-Club.«
    Mrs. Anderson verzog ein wenig das Gesicht und hob die linke Schulter etwa drei Millimeter hoch.
    »Ach«, sagte sie. »Im Tuna-Club! Ist das nicht sehr traurig, wenn die Fischlein so hilflos an der Angel zappeln?«
    »Wie man’s nimmt, Madam«, sagte ich. »Wir Angler finden es viel trauriger, wenn kein Fischlein an der Angel zappelt.«
    Ihre Augen gingen durch mich hindurch, als wäre ich eine Schaufensterscheibe.
    »Sie muß das von ihrem Vater geerbt haben, der ja auch so gerne angelt. Auch jetzt ist er wieder irgendwo hingefahren, um zu angeln. Ich kann mir nicht merken, wo das ist. Ich glaube, am Silberpfeil-See oder am Großen Bärensee, nicht wahr, Mister
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