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Die Tote auf dem Opferstein: Kriminalroman

Die Tote auf dem Opferstein: Kriminalroman

Titel: Die Tote auf dem Opferstein: Kriminalroman
Autoren: Ann Rosman
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wiederholte der Mann etwas lauter. »Warum sind Sie hergekommen?«
    »Ich bin gekommen, um eine Eheschließung zu vermeiden.« Ihr ging durch den Kopf, dass sie auch gestohlen hatte, aber als Dieb würde sie auf der Insel wohl keine Arbeit finden.
    »Ah so.«
    »Und woher kommen Sie?«
    Agnes zögerte. Dann suchte sie in ihrer Tasche nach dem Zeugnis vom Pastor aus Bro.
    »Woher kommen Sie?«, fragte der Mann, der zu glauben schien, sie hätte die Frage nicht verstanden.
    »Mollösund«, log Agnes und überreichte ihm das Dokument. Sie befürchtete, ihr wäre anzusehen, dass sie nicht die Wahrheit sagte, aber falls der Mann Verdacht geschöpft hatte, kümmerte ihn das anscheinend nicht. Diese plötzliche Einsicht tat weh. Hier kümmerte es niemanden, dass Fräulein Agnes vom Hof Näverkärr verschwunden war, während in Marstrand gerade ein vollkommen unbekannter Agne Sundberg an Land ging.
    Mit eleganter Schrift trug der Mann Agne Sundberg aus Mollösund in das Buch ein und notierte ihre Angaben auf einem Freibrief, den er Agnes überreichte. Anschließend verabschiedete er sich mit einem Winken und rief den nächsten Mann aus der Schlange herein. Den nächsten Mann, dachte Agnes. So muss ich denken. Die ganze Zeit. Irgendwann wird es besser. Mit dem Papier in der Hand, das ihre wiedererlangte Freiheit darstellte, trat sie vor die Tür. Irgendwie ließ sich die Abendluft nun leichter atmen. Gleichzeitig fühlte sie sich so einsam wie noch nie. Sie betrachtete die Menschen, die bei derGaststätte im Eckhaus ein- uns ausgingen. »Wärdshus« stand auf dem Metallschild, das sich knarrend im Wind bewegte. Nun war sie zumindest hier.
    Niemand öffnete das Tor, als Agnes anklopfte. Da die Gasse nur schwach beleuchtet war, sah Agnes sich ängstlich um. Sie klopfte noch einmal, bis ihr einfiel, dass sie ein junger Mann war, und pochte stattdessen mit der ganzen Faust an das Türblatt.
    Gleich darauf ging die Luke auf und ein Frauengesicht zeigte sich.
    »Ja?«
    »Guten Abend. Ich suche eine Bleibe für die Nacht. Kapitän Jacobsson hat mir empfohlen, mich an Sie zu wenden.«
    Die Frau musterte sie.
    »Nur für den Herrn?« Jedes Mal, wenn jemand »Herr« sagte, zuckte Agnes zusammen und war drauf und dran, sich nach dem Herrn umzusehen, der womöglich gemeint war. Wenn sie als Mann durchgehen wollte, musste sie sich das baldigst abgewöhnen.
    »Ja.«
    Die Frau schob die Luke wieder zu, öffnete stattdessen die Tür und schloss ab, sobald Agnes eingetreten war.
    »Wie lange bleiben Sie?«
    Auf diese Frage war Agnes nicht vorbereitet. Sie begann zu stammeln.
    Die Frau hob beruhigend die Hand.
    »Wir nehmen es so, wie es kommt. Ich habe Platz genug. Kommen Sie mit.« Die Frau griff nach einer Tranlampe.
    »Was kostet es?«, fragte Agnes, doch die Frau war bereits ein ganzes Stück die steile Treppe hinaufgestiegen und schien sie nicht zu hören. Irgendwo musste sie schließlich die Nacht verbringen. Die Alternative, mitanderen Zugereisten die Nacht auf dem Fußboden eines Wirtshauses zu verbringen, war vollkommen undenkbar.
    Das Zimmer lag im ersten Stock. Es war ein winziges Kabuff mit Dachschräge. Der Gestank darin war so widerwärtig, dass Agnes die Luft anhielt. Irgendjemand hatte sich in dem Raum erbrochen, und trotz eines halbherzigen Versuchs, den Boden aufzuwischen, schien sich das Resultat größtenteils mit dem Schmutz in den Ritzen vermengt zu haben. Als Agnes das feuchte Holz berührte gaben die angegriffenen Balken an der einen Wand nach. Irgendwo regnete es herein. Offensichtlich bestand das Leck schon seit längerer Zeit, ohne dass jemand etwas dagegen unternahm. Wenn die gesamte Wand so morsch war, würde sie das Dach oder das Stockwerk darüber nicht mehr lange tragen.
    Ein Fenster ging auf den gepflasterten Hof der Gaststätte Wärdshus hinaus. Auf dem Tisch stand die Tranlampe, die ihr die Frau nicht ohne den Hinweis überlassen hatte, Agne solle das Licht löschen, bevor er ins Bett gehe. Erst in der vorigen Woche war ein ganzes Stadtviertel den Flammen zum Opfer gefallen. Am Fenster stand ein Tisch und an der Längsseite des Zimmers ein Bett. Das war alles.
    Bei ihr zu Hause waren die Wände tapeziert, hier waren die gezimmerten Wände mit altem geteerten Garn abgedichtet, und zu der feuchten Wand hin war der Boden beängstigend abschüssig. Der Kachelofen auf seinen Holzfüßen hatte jedoch dieselbe grüne Farbe wie der in Agnes’ altem Zimmer, und sogar der Weidenkorb daneben erinnerte an den, in dem
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