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Die Todesspirale

Die Todesspirale

Titel: Die Todesspirale
Autoren: Leena Lehtolainen
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natürlich fest, dass nur der dumme Onkel der Fahrer sein konnte.»
    «Könnte der BMW statt weiß auch goldfarben gewesen sein?», fragte ich. Allerdings hätte selbst ein Kind Ulrika Weissenberg nie für einen Onkel gehalten, sie war eindeutig eine dumme Tante.
    «Nein, unmöglich. Kinder nehmen es mit solchen Details sehr genau. Ich glaube allerdings, Jussi hat sich die Geschichte vom dummen Onkel im Parkhaus nachträglich zurechtgelegt, um sich den Streifenwagen und das seltsame Verhalten der Erwachsenen zu erklären.»
    Polizeiarbeit ist oft reine Wiederholung. Auch jetzt ließ ich Kati Järvenperä die Ereignisse im Parkhaus wieder abspulen, als könnten meine Fragen ihr ein vergessenes Detail in Erinnerung rufen.
    Als ich das Gebäude verließ, regnete es. Da um halb sieben die Geburtsvorbereitung in Olari begann, lohnte es sich nicht, vorher nach Hause zu fahren. Also spazierte ich ins Zentrum und gönnte mir im Café Fazer einen Eisbecher.
    Schwangere brauchen bekanntlich viel Kalzium.
    Hingebungsvoll löffelte ich Eis mit Birnen, Schokoladen-soße und Schlagsahne und konzentrierte mich ganz auf den Genuss. Am Nebentisch unterhielten sich einige Männer über die Berichte in der Boulevardzeitung. Im Fall Teräsvuori nahmen sie für Hanna Partei und waren einhellig der Meinung, die Polizei tauge nichts. Dann kommentierten sie den nächsten Beitrag, die bittere Abrechnung einer Fünfzigjährigen, die ihren Mann an die vorjährige Miss Finnland verloren hatte:
    «Diese blöde Ziege! Für alle Arten von Homolesben hat man heutzutage Verständnis, aber wenn ein Mann sich eine Jüngere anlacht, immerhin altersmäßig schon legales Fleisch, geht das Gekeife los!»
    Ich entdeckte einen freien Tisch weiter hinten und zog mit meinem Eisbecher um. Wenigstens in der Freizeit wollte ich vor solchen Großschnauzen meine Ruhe haben.
    Ich hatte das Tagebuch mitgenommen, das Noora vor rund zwei Jahren geführt hatte, weil es etwas Interessantes enthielt: eine Lücke. Noora hatte von ihrem zehnten Lebensjahr an regelmäßig in ihr Tagebuch geschrieben, meist zwei, drei Mal wöchentlich, doch vor zwei Jahren hatte sie von April bis Juni keine einzige Eintragung gemacht.
    Anfangs hatte ich es nicht gemerkt, da ich kursorisch gelesen hatte, auf der Suche nach Namen. Dann war mir aufgefallen, dass auf den Winter unvermittelt der Sommer folgte, und ich hatte mir die Daten genauer angesehen.
    Hatte Noora einfach keine Zeit gehabt? Eine Erklärung für ihr langes Schweigen gab sie jedenfalls nicht. In den letzten Eintragungen vor der Unterbrechung fieberte sie dem Trainingslager im Sportzentrum Vuokatti entgegen und schwärmte, Janne sei «voll süß». Nach der Pause folgten konsternierte Berichte über die Liebschaft ihrer Mutter und über deren Absicht, die Familie zu verlassen.
    Ich war sicher, die Lücke hatte etwas zu bedeuten. Was hatte Noora ihrem Tagebuch verschwiegen?
    Hier und da hatte sie Fotos eingeklebt, eins davon unmittelbar vor der Pause. Es war offenbar die erste Aufnahme von Noora und Janne als Eislaufpaar. Janne trug die Haare kurz und wirkte eckiger als heute. Noora war noch ganz kindlich, hielt den Kopf aber hoch erhoben, ihre Augen strahlten wie die einer Meisterläuferin. Ich legte die Hand auf das Foto, als könnte ich so Verbindung zu Noora aufnehmen.
    Doch das funktionierte nicht. Ich stand auf, ging auf die Toilette und putzte mir die Zähne. Dann ging ich hinaus in den Dauerregen.
    Achtzehn
    Ein von Blut und weißer Schmiere überzogenes Köpfchen kam zum Vorschein. Ihm folgte der von Exkrementen befleckte Körper, und das Baby tat seinen ersten, fordernden Schrei.
    «Iii», sagte jemand hinter mir, irgendwer kicherte nervös.
    Mir stiegen Tränen in die Augen, als die Kamera auf den glücklich staunenden Vater und auf die Mutter schwenkte, die gerade noch vor Schmerz geschrien hatte. Neben mir schrieb Antti die Erläuterungen der Hebamme zur Atem-technik mit.
    Ich versuchte mich auf die Informationen zu konzentrieren, die über mich hinwegrauschten. Periduralanästhesie, Gebärhaltung, Dammschnitt. Vieles war mir bereits in den verschiedenen Ratgebern begegnet, bei deren Lektüre ich festgestellt hatte, dass die Gurus der Geburtshilfe in den einfachsten Fragen widersprüchliche Auffassungen vertraten. In allen Büchern über aktive Geburt stand zum Beispiel, als Ge-bärhaltung sei die Rückenlage fast so widersinnig wie der Kopfstand, doch auf dem Video hatte die Frau auf dem Rü
    cken gelegen. Ich
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