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Die Todespfeiler

Die Todespfeiler

Titel: Die Todespfeiler
Autoren: Hans Kneifel
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gehen. Aber Casson wartet, bis auch die anderen Schiffe fertig sind. Er läßt die Kapitäne und Mannschaften hart üben, nicht wahr?«
    »Sie haben sich bei mir bitter beklagt«, erklärte Gamhed grimmig und stürzte den letzten Schluck aus dem Becher herunter. »Er schindet sie alle.«
    Luxon zeigte ein breites, selbstzufriedenes Grinsen.
    »Er ist dir ähnlicher, als du zugeben willst.«
    »Casson? Mir ähnlich?« Gamhed schüttelte fassungslos den Kopf.
    »So ist es. Du bildest deine Soldaten ebenso aus. Sie kämpfen gegeneinander, sie gehorchen jedem Befehl, und so haben unsere Krieger viele Kämpfe gewonnen. Auf dem Meer ist es nicht anders.«
    Verwundert starrte Gamhed ihn eine Weile an, dann knurrte er widerstrebend:
    »So unrecht hast du, scheint’s mir, nicht, junger Shallad.«
    »Du kannst trotzdem ein wachsames Auge auf Casson haben«, versicherte ihm Luxon. »Und nun werde ich mich um die Coltekin kümmern.«
    »Tue das. Vielleicht erfährst du etwas.«
    Sie wechselten einen kurzen, harten Händedruck, dann stapfte Gamhed klirrend davon.
*
    Es gab wenig Prunk in diesem Shallad-Palast. Luxon ging durch weite, saubere Korridore, grüßte die wenigen Wachtposten, sah die brennenden Fackeln und Öllampen und freute sich über die Ruhe. Der Geruch blühender Pflanzen drang von den Terrassen herein. Je mehr er sich dem Bereich näherte, in dem Gäste des Shallad untergebracht waren, desto mehr Bewegungen gab es. Diener huschten hin und her, es brannten mehr Lichter.
    Luxon blieb vor einer hohen, schmalen Tür stehen und klopfte mit den Knöcheln der Faust gegen das schimmernde Holz.
    »Bist du es, Shallad?« fragte eine aufgeregte Stimme.
    »Mein abendlicher Besuch, schönste Yzinda«, erwiderte er und öffnete die Tür. Das Gemach war schwach beleuchtet. Yzinda hatte das Essen kaum angerührt. Sie lag ausgestreckt auf einer Liege. Luxon kam zögernd näher und blickte in das runde Gesicht. Die mandelförmigen Augen waren unnatürlich groß. Die Schlange, die sich um das linke Auge ringelte, schien zu züngeln.
    »Du hast keinen Appetit?« fragte Luxon beunruhigt. Er, der gelernt hatte, Menschen zu durchschauen, wurde aus Yzinda nicht schlau. Ihr schwarzes Haar ringelte sich über der Stirn; Schweißtropfen standen auf der rötlichen Haut der Stirn.
    »Ich fühle mich nicht wohl«, gab Yzinda mit schwacher Stimme zurück. Luxon fühlte sich zu ihr hingezogen, aber gleichzeitig stand er vor ihren Geheimnissen wie vor einer unüberwindlichen Mauer.
    »Kann ich etwas tun? Einen Heilkundigen rufen?«
    Was ihm Yzinda seit dem Tag, an dem die Neue Flamme gestohlen wurde, gesagt hatte, war sehr wenig gewesen. Merkwürdigerweise schien sie darunter zu leiden, daß sie Luxon nichts sagen konnte, nichts sagen durfte.
    »Keinen Heilkundigen, Shallad. Niemand kann mir helfen!«
    Luxon war sicher, daß ihr Drittes Auge, jene feine Tätowierung aus Narben und Farbe, etwas bedeutete. Es war mehr als ein merkwürdiger Schmuck. Vielleicht war sie Augenpartner Quarons oder eines anderen, so wie er und Necron?
    »An welch seltsamer Krankheit leidest du?« fragte er, zog einen zierlichen Hocker heran und setzte sich neben die Liege. Yzindas Finger zuckten wie im Fieber. Sie bedachte ihn mit einem langen, ausdruckslosen Blick.
    »Du weißt, daß ich dir alles sage. Ich habe keine Furcht vor dir, Luxon. Aber ich fühle mich, als wäre ich in der Hand fremder Mächte.«
    Luxon war ihr gegenüber sehr darauf bedacht, nichts von seinen Ansichten zu verraten. Ausgestattet mit den Kräften des Dritten Auges, konnte sie ein Spion für die Herrscher im Land der Zaketen sein.
    »Welche fremden Mächte?« fragte er.
    »Ich weiß es nicht…«, stammelte sie, dann setzte sie sich mit einem Ruck auf. Ihre Haare flogen. Sie streckte beide Arme wie eine Schlafwandlerin aus. Ihr Gesicht verzerrte sich. Mit völlig veränderter, rauher Stimme keuchte sie:
    »Flamme? Wo bleibt die Flamme des Lichtboten…?«
    Yzinda zuckte und zitterte. Sie stammelte leise Worte in einer unbekannten Sprache. Sie klangen wie Beschwörungen. Luxon sprang auf.
    Er wollte ihre Hände fassen, aber eine hastige Bewegung schleuderte seine Arme zur Seite. Yzindas zierlicher Körper entwickelte auf einmal große Kräfte. Auch ihre Arme bedeckten sich mit Schweiß. Wieder verstand der Shallad einige Worte.
    »Das Licht… Flamme aus Logghard… hat das Ziel… nicht erreicht.«
    Der Anfall hielt Yzinda fest in seinen Klauen. Sie wurde auf dem Lager hin und her geworfen.
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