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Die Tochter des Teufels

Die Tochter des Teufels

Titel: Die Tochter des Teufels
Autoren: Heinz G. Konsalik
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der Unterlippe. Er holte ein parfümiertes Taschentuch aus der Hose und wedelte sich zu. Sommer war's, über dem Land stand die Luft still. Der Fluß dampfte.
    »Jedes Kind hat einen Vater, Helena Feodorowna.«
    »Als ich es empfangen habe, schlief ich.«
    »Schon, schon.« Maxim Kyrillowitsch wedelte sich erneut parfümierte Luft zu. »Aber der Mann! Es muß doch ein Mann gewesen sein.«
    »Ich kenne ihn nicht.«
    »Helena! Sie müssen doch …«
    »Ich schlief …« Helena Feodorowna lächelte mild, deckte das Kind wieder zu und begann die geflochtene Wiege zu schaukeln.
    »Dann … dann war es ein Unfall?« fragte Maxim Kyrillowitsch heiser. »Das ändert alles! Sie wurden überfallen, mißbraucht, geschändet.«
    »Ich schlief …«
    »Danke. Das genügt.«
    Mit dem nächsten Schiff fuhr der Untersuchungsrichter zurück nach Tobolsk. In Petersburg und Kiew knirschten die anderen Woronzows mit den Zähnen. »Sie wird uns beweisen, daß es ein Wunder war!« schrie der Bankier in Petersburg. »Ist denn so etwas möglich? Und die Idioten in Sibirien glauben es! Ich sage immer: Sibirien tötet die Gehirne!«
    Von da an wurde es still um Helena Feodorowna. In Podunskoje gewöhnte man sich daran, daß im Garten der Villa Woronzow ein zartes, hübsches, blondgelocktes Mädchen herumtollte, auf einem weißen Pony ritt und gepflegt und umhegt wurde wie eine Prinzessin. Vor allem die alte Klaschka war verrückt vor Liebe zu dem Kind. Nachdem ihr Mann gestorben war, trat sie ganz in die Dienste Helena Feodorownas, schlief mit der kleinen Nadja in einem Raum und war wie ein riesiger knurrender Hund, der jeden Schritt des ›blonden Engels‹, wie sie Nadja nannte, überwachte. Nach dem fünften Jahr allerdings verfärbten sich die Haare, wurden dunkler und dunkler.
    »Sie bekommt die Haare des Vaters!« schrie die alte Klaschka verzweifelt. »Helena Feodorowna, erlaubt, daß ich sie bleiche.«
    soll sie den Vater leugnen?« fragte Helena. »Sie wird einmal stolz sein, Rasputins Tochter zu sein.«So still das Leben an Podunskoje vorbeifloß, geregelt durch die Jahreszeiten, die den Ablauf eines Jahres bestimmen, von Eisgang zu Eisgang, von Ernte zu Ernte, so bewegt war die Kunde, die in den vielen Monaten aus allen Winden über Rasputin in die Stille des Dorfes am Tobol drang.
    Aus dem wandernden Strannik war ein Staretz geworden, ein heilender Prediger, der überall, wo er auftrat, von den Wundern Gottes predigte und Beichten abnahm, Kranke durch ein Streicheln seiner wundersamen Hände heilte oder ›den Teufel austrieb‹, vor allem bei den Weibern, die bei seinem Anblick in Zuckungen verfielen.
    Wüste Geschichten kamen nach Podunskoje. Da erzählte ein Pilger, daß Rasputin mit zwölf Frauen auf die Wanderschaft gegangen sei, und alle zwölf seien seine Geliebten geworden, teils freiwillig, teils mit Gewalt. In Kiew hatte er eine schwere Zeit, er mußte im Kloster Holz hacken, verrichtete niedrige Dienste, denn – so sagte man – die Polizei suchte ihn wegen einiger Vergewaltigungen an Beamtenfrauen und beichtenden Jungfrauen. Böse Berichte waren das, und Helena Feodorowna hörte sie stumm und steinern an und sagte auch später kein Wort dazu. Aber mehr noch als seine wüsten Taten flog die Kunde von seinen Wundern durch Rußland. Sein größtes Wunder machte ein Kloster arm und hinterließ haßerfüllte Mönche: Durch bloßes Handauflegen und gütiges Zusprechen heilte er einen der armen ›heiligen Idioten‹.
    An einem Abend im September, schon wehte es kalt aus der Taiga heran, klopfte es an der Tür der Villa Woronzow.
    »Der Herr bewahre uns vor dem Satan!« schrie die alte Klaschka, als sie sah, wer draußen stand. Aber bevor sie sich bekreuzigen und die Tür zuwerfen konnte, hatte der Besucher seine derben Stiefel über die Schwelle gesetzt und drückte die alte Klaschka an die Wand.
    »Helena Feodorowna, schließt euch ein!« brüllte die Alte die Treppe hinauf. »Rettet euch! Der Teufel ist zu Besuch gekommen!«
    »Welch ein einfältiges Mütterchen«, sagte Rasputin, umarmte die jammernde Klaschka und küßte ihre fetten Wangen. »Weißt du nicht, daß der Herr sagt: Wo die Liebe ist, da ist auch deine Heimat? – Hier ist meine Liebe, und hier bin ich zu Hause.«
    Er schwieg, als sei ihm das Wort abgeschnitten. Die Treppe herunter kam ein kleines zartes Mädchen.
    »O weh!« stammelte die Alte und rang die Hände. »O weh, daß so etwas geschehen mußte.«
    Das schöne, zierliche Mädchen mit den langen
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