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Die Tochter des Teufels

Die Tochter des Teufels

Titel: Die Tochter des Teufels
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Vater?«
    Die alte Klaschka schwieg. Sie hatte neue schreckliche Dinge gehört. In Perm suchte die Polizei den Wüstling Rasputin. In Kasan klagte man ihn des Betrugs an. In Kiew sagte eine Nonne aus, der Vater Grigori habe die Beichte benutzt, sie zu entjungfern. Wie konnte man das der glücklichen Helena sagen? Zu grausam war es.
    Nadja Grigorijewna hatte sich schnell daran gewöhnt, in Rasputin ihren Vater zu sehen. »Du bist so lustig, Väterchen«, sagte sie immer, wenn sie vom Spielen und Tollen müde war. »Warum erzählt man nur so Böses über dich?«
    »Weil die Welt böse ist, mein Täubchen«, erwiderte Rasputin dann. »Die Menschen sind böse, sie leben in der tiefsten Sünde. Aber so muß es sein, denn nur wer die Sünde kennt, kann sie bekämpfen. Treibet die Sünde durch die Sünde aus, und ihr werdet einmal dastehen rein wie die Erzengel, geläutert wie durch ein weißes Feuer. Doch das verstehst du noch nicht, Täubchen … du wirst es nie verstehen, denn ich werde die Sünde von dir fernhalten.«
    Kurz vor Weihnachten geschah das Wunder mit dem ›nackten Kustja‹.
    Väterchen Pjotr, der sanfte Pope von Podunskoje, kam in die Villa Woronzow und sagte:
    »Es ist unrecht, was hier geschieht. Ihr lebt mit einem Mann zusammen, Helena Feodorowna, wie Mann und Frau, ohne den Segen Gottes, in verfluchter Buhlschaft, denn Ihr wißt, daß Grigori Jefimowitsch eine Frau und drei Kinder hat, die auf ihn warten und ihn ebenso lieben wie Ihr! Gott wird Euch strafen!«
    »Gott hat mich gesegnet«, antwortete Helena sanft. »Ich habe Nadja …«
    »Und ein Wundertäter will er sein? Ein Staretz?« schrie der sonst so stille Pope Pjotr und warf die Arme gegen den Himmel. »Er ist nicht anders als alle anderen Scharlatane! Er betrügt das einfältige Volk mit Taschenspielerkunststückchen! Er predigt die Sünde! Er verwirrt die Gedanken! Eine Gefahr ist er für Rußland! Wunder! Noch habe ich keins gesehen von ihm …«
    »Du wirst es sehen, Väterchen«, sagte eine tiefe Stimme von der Tür her. Der Pope Pjotr fuhr herum. Dort stand Rasputin, in schwarzen Samthosen und blanken Stiefeln, ein hellblaues gesticktes Hemd über dem gedrungenen Oberkörper. Wie ein feiner Herr sah er aus, sogar sein Bart war gekämmt. »Hol mir Kustja, Väterchen«, fuhr er fort. »Und laß das Volk in den Garten kommen.«
    Väterchen Pjotr eilte davon, getrieben von einer heiligen Scheu.
    Wie in vielen Dörfern Sibiriens gab es auch in Podunskoje einen einfältigen Menschen, der in der Ofenecke hockte und von der Familie ernährt wurde, der Holz sammelte und im Winter Schafwolle rupfte. So einer war auch Kustja, ein körperlich kräftiger Mann von etwa vierzig Jahren, aber mit dem Gehirn eines Kindes.
    Kaum eine Stunde später war es in Podunskoje bekannt, daß Grischa, der merkwürdige Staretz bei der Witwe Helena Feodorowna, ein Wunder vollbringen wollte. Im Garten der Villa Woronzow drängten sich die Bauern und warteten.
    Ein eisiger Tag war es. Der Schnee war fest gefroren, der Himmel von einer kalten Bläue, das Eis auf dem Tobol türmte sich in vielen Schichten. Nicht einmal Löcher konnte man in die Eisdecke schlagen, und die Fischer klagten, es sei ein Winter, der sie arm machte. So standen sie also alle in dem großen Garten herum, in dicke Pelze vermummt, in Steppjacken und hohen Pelz- oder Filzstiefeln, sie froren trotzdem und stampften mit den Füßen auf und ab wie tanzende Bären. Kustja, der Einfältige, ging durch die Reihen und lachte.
    »Er kommt!« rief jemand an der Tür des großen Hauses. »Grischa kommt.«
    Die Tür flog auf und Rasputin trat hinaus in die klirrende Kälte. Er trug weder einen Pelz noch einen dicken Mantel … in seiner dünnen Hose und seinem dünnen bestickten Hemd ertrug er den Anprall des Frostes, als spüre er ihn gar nicht.
    »Komm her, Brüderchen Kustja!« sagte er und streckte die rechte Hand aus. Der blöde Kustja gehorchte. Er kam auf Rasputin zu und sah ihn aus großen braunen Kinderaugen an.
    Fast drei Minuten standen sie sich gegenüber, sahen sich an und schwiegen. Der Blick Rasputins wurde golden und glitzernd, er zerschnitt mit ihm die Seele des armen Kustja und machte ihn sich Untertan.
    »Zieh dich aus!« sagte Rasputin laut. »Leg deine Kleider ab, Brüderchen Kustja …«
    »Er wird ihn töten!« schrie der Pope aus der Menge. »Bei dieser Kälte! In einer Minute wird er tot sein!«
    »Zieh dich aus!« sagte Rasputin eindringlich, und Kustja begann seine Steppjacke
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