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Die Tochter des Teufels

Die Tochter des Teufels

Titel: Die Tochter des Teufels
Autoren: Heinz G. Konsalik
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leere Schale kam sie sich vor, aufgeknackt von Riesenhänden.
    Die alte Klaschka saß in der Ecke auf einem Stuhl und betete.
    »Ein Mädchen, Helena Feodorowna«, sagte die Hebamme Darja, ließ die zitternden Beine von ihrer Schulter zurück aufs Bett fallen und warf ein neues warmes Tuch über den schweißnassen Leib. »Ein kräftiges Mädchen! Gott habe es lieb! Gesund ist es, rund und lieblich. Möge der Himmel verhüten, daß es seinem Vater ähnlich wird …«
    Helena lächelte schwach. Sie wollte den Kopf heben und das Kind sehen, das zwischen ihren Schenkeln lag, aber Darja drückte sie zurück, beugte sich ächzend vor und begann das Neugeborene abzunabeln. »Wasser!« brüllte sie dabei. »Den Schwamm her! Betet das alte Luder! Hast du wenigstens die Schere ausgekocht, Klaschka Jegorowna?«
    Helena Woronzowa legte die Hände auf ihre Augen und atmete tief auf. Wenn Grigori hier wäre, dachte sie. Stolz würde er sein. Er liebt Kinder. Vor fünf Monaten zog er wieder durch Podunskoje, und er war so fröhlich, als er meinen Zustand erfuhr, er streichelte meinen Leib und sagte leise: »Aus dieser warmen Höhle wird ein Engel kommen …« Ein Engel. Er ist geboren, Grigori! Und ich werde es großziehen wie ein heiliges Geschenk, ich werde stolz auf es sein, auch wenn die anderen Menschen hinter unserem Rücken flüstern. Liebe kommt von Gott, sagtest du. Ich glaube daran …
    Die rauhe Stimme der Hebamme riß sie aus ihren Gedanken.
    »Wo ist er denn, der Vater?« rief die grobe Krawzowa und umwickelte die Nabelwunde des Neugeborenen. »Wo treibt er sich herum, der Lump, der Wüstling, der Weiberschänder, he? Soll man ihn suchen, den Saufhund? Wo wird man ihn schon finden … vielleicht in einem Hurenhaus?«
    Helena ließ die Hände von den Augen sinken. Das Bild Rasputins, ihr letztes von ihm, wie er im Staub der Sommerstraße gegen den hellen Horizont verschwand, fiel zusammen.
    »Grigori pilgert zum Ruhme Gottes. Warum beschimpfst du ihn, Mütterchen Darja?« sagte Helena schwach. »Warum bist du wie die anderen? Du kennst ihn nicht. Du hast ihn nie gesehen. Du müßtest dankbar sein, denn er hat mich glücklich gemacht.«
    In der Ecke hüstelte die alte Klaschka. Ist sie nicht doch ein einfältiges Weibchen, diese Helena, trotz ihres Geldes, dachte sie dabei. Nun ja, blind macht die Liebe – aber so blind kann man nicht sein, um nicht zu sehen und auch zu hören, wie es dieser Grigori Jefimowitsch treibt. In den Nachbardörfern hat man ihn schon verprügelt, weil er an die Weiber der anderen Bauern ging.
    »Ihr seid nur gegen ihn, weil er anders ist als ihr! Er ist kein gewöhnlicher Bauer und Fuhrmann. Das wißt ihr! Gott hat zu seinem Herzen gesprochen, in seinen Händen trägt er den Segen. Wie könnt ihr darüber sprechen … er hat euch nie gestreichelt …« Helena Woronzowa hob ein wenig den Kopf und sah die alte Klaschka und die Hebamme Darja an. Ein Kind ist da, dachte sie. Ein Kind von ihm. Und keiner verteidigt ihn; nur Schmutz schleudern sie auf ihn. Wer hat seine Augen so gesehen wie ich? Wer sah das Meer in ihnen, die wogenden Felder Sibiriens, die Urwälder der Taiga, die reißenden Ströme und den unendlichen Abendhimmel? Wer kennt ihn denn, den Menschen Rasputin?
    »In einem Kloster wird er sein«, sagte sie heftig. »In Werchoturje oder in Abalak oder Perm. Habt ihr es nicht gehört von den Reitern aus Tjumen? Man spricht über ihn … einen Strannik nennt man ihn, einen wandernden Wundermönch.«
    »Ein Saufwunder ist er!« schrie die Krawzowa böse. »Ein Hurenwunder! Der Himmel erbarme sich deiner, daß dein Kind nichts von ihm hat!«
    Helena Feodorowna schwieg. Sie war zu erschöpft, um mit der wilden Darja zu streiten. Aber als die Krawzowa das Kind hochhob und zur Wanne trug, wo die alte Klaschka wartete und im Wasser planschte, sammelte sie alle Kraft in sich und sah es mit großen, glänzenden Augen an. Ein Mädchen. Dichte blonde Haare hatte es. Und es weinte leise.
    »Wie soll es heißen?« fragte Darja Nikolajewna und schwenkte den kleinen, runzeligen Körper im warmen Wasser. »Wie soll Väterchen Pjotr es taufen?«
    »Nadja …« Helena Feodorowna schloß glücklich wieder die Augen und ließ sich zurück auf die schweißnasse Decke fallen. Schlafen … tief schlafen … Morgen scheint die Sonne wieder, und der neue Tag wird schöner sein als alle Tage vorher. »Ja – nennen wir es Nadja … Er hat mich immer Nadja genannt, wenn er bei mir war … nie Helena.«
    Darja, die
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