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Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)

Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)

Titel: Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)
Autoren: Lesley Downer
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brauchen Sie nicht zu wissen. Überlassen Sie sie jetzt ihrer Trauer. Gehen Sie. Ich will Sie nicht töten, aber ich werde es tun, wenn ich muss. Sie sind jung. Retten Sie sich, verschwinden Sie hier.«
    Der Soldat nahm die Hand von Schwertgriff, zog den Fächer heraus und hielt ihn hoch. Er stieß ein knurrendes Lachen aus. Sein Bart ließ ihn alt wirken, doch er hatte das Lachen eines jungen Mannes. Er schüttelte den Kopf und warf die Hände hoch. »Sie wissen, warum ich hier bin, Toyoda-sama. Ihr Herr hat mich geschickt. Und ich weiß, warum Sie hier sind. Wir haben keine Geheimnisse voreinander.« Taka zuckte zusammen und rieb sich die Augen. Sie kannte diese Stimme. »Sie sind mir entwischt, Sie haben mich betrogen. Ich hätte mir denken können, was Sie vorhaben, als Sie am Fuß des Berges verschwunden sind. Sie haben recht, die Aufgabe ist erledigt. Aber ich kann nicht gegen Sie kämpfen. Ich werde es nicht tun, ich weigere mich. Sie haben mir auf dem Shiroyama das Leben gerettet, und dafür stehe ich in Ihrer Schuld. Sie sind ein guter und ehrenwerter Mann.«
    Taka hörte mit offenem Mund zu, fühlte sich, als wäre sie aus einem Traum erwacht. Fast ein halbes Jahr war vergangen, über dem Rattern und Dröhnen des Geschützfeuers war kaum etwas zu verstehen, doch sie erkannte den Tonfall, den Akzent. Sie brauchte sein Gesicht gar nicht zu sehen. Auf der anderen Seite der Lichtung schnappte Okatsu nach Luft und schlug die Hände vor den Mund. Sie hatte ihn ebenfalls erkannt.
    »Ich werde nicht gegen Sie kämpfen«, wiederholte der Soldat. »Töten Sie mich, wenn Sie wollen, wenn Ihnen daran gelegen ist, den Träger des Fächers Ihres Herrn zu töten. Aber bevor Sie das tun, muss ich eines erfahren – ob Madame Fujino und ihre Tochter leben und ob es ihnen gut geht.«
    Taka war zu bestürzt und verwirrt gewesen, um sich zu rühren, doch nun machte ihr Herz einen Satz. Sie sprang auf, stieß Äste und Buschwerk beiseite, stürzte zwischen den Bäumen hervor und flog auf den Soldaten zu. Ihre Beine wollten sie nicht schnell genug tragen, gaben bei jedem Schritt nach. Er drehte sich um und sah sie. Sein Gesicht leuchtete auf, und er straffte die Schultern, wirkte mit einem Mal nicht mehr abgekämpft und niedergeschlagen, sondern jung und voller Freude. Sie konnte kaum fassen, dass sie ihn nicht gleich erkannt hatte.
    Er hatte den Blick von Kuninosuké abgewandt. Etwas blitzte auf. Kuninosuké zog sein Schwert, nicht zügig, wie es Samurai für gewöhnlich taten, sondern langsam, verstohlen, mit schmalen Augen.
    Taka schrie: »Kuninosuké, nein!«
    Er erstarrte, wirbelte herum und schaute sie an, als wäre sie verrückt geworden.
    Madame Kitaoka schrie auf. »Aizu!« Sie hatte den Akzent erkannt. Das Wort hallte über die Lichtung wie ein Kampfschrei. »Töten Sie ihn, Kuninosuké, oder ich werde es tun.«
    In ihren Bauernhosen, unbehindert durch Kimonoröcke, flog sie mit erschreckender Geschwindigkeit über die Lichtung, die Augen lodernd, als trüge sie den rachsüchtigen Geist des gesamten Satsuma-Clans in ihrem schmächtigen Körper. Nobus Blick war auf Taka gerichtet. Er rannte auf sie zu, ohne auf die ältere Frau zu achten, die sich auf ihn stürzen wollte.
    Takas Herz klopfte wie wild. Ihn jetzt noch zu verlieren, würde sie nicht zulassen. Sie pflügte sich durch die Aschehaufen und warf sich Madame Kitaoka in den Weg. Das dünne Gesicht kam auf sie zu, mit gefletschten Zähnen, die Augen riesig und grimmig.
    Taka breitete die Arme aus. »Töten Sie mich zuerst«, keuchte sie.
    Madame Kitaoko rannte sie fast um, bevor sie Taka erkannte und nach Luft ringend stehen blieb. »Dummes Kind! Geh mir aus dem Weg!« Einen Moment lang glaubte Taka, die Frau würde sie tatsächlich erdolchen.
    Sie wich nicht von der Stelle. Die anderen rannten auf sie zu. Taka schrie: »Mutter, das ist Nobu! Erkennst du ihn nicht? Nobu!«
    Nobu schob sich zwischen Taka und Madame Kitaoka und wandte sich ihr zu. »Ich bin nicht Ihr Feind, Madame.« Er hielt ihr den geschlossenen Fächer hin. »Ich überbringe eine Botschaft von General Kitaoka.«
    Madame Kitaoka wich zurück, als könnte sie es nicht ertragen, dem verhassten Feind so nahe zu sein. Wie eine Schlange kurz vor dem Biss richtete sie sich auf, den Arm erhoben.
    »Aizu«, zischte sie.
    Kuninosuké stand mit hängenden Schultern da. Dann schob er langsam das Schwert zurück in die Scheide. Ein schmerzlicher Ausdruck huschte über sein Gesicht, als wäre ihm plötzlich
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