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Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)

Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)

Titel: Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)
Autoren: Lesley Downer
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war bestürzt. Alles war zu groß, zu riesig. Er gehörte nicht hierher. Er sollte verschwinden, solange es noch möglich war. Aber die Tore waren geschlossen, und die Rikschas rollten zur Seite des Hauses. Die Dienstboten hatten bereits Aufstellung genommen und verbeugten sich, um die Damen zu begrüßen und ihnen hinabzuhelfen.
    »Gonsuké, zeig Nobu die Dienstbotenquartiere.« Die vordere Rikscha knarrte, als die füllige Dame erst einen seidenbeschuhten Fuß, dann den anderen auf den Tritt setzte, den die Dienstboten ihr hingestellt hatten. »Sorg dafür, dass er eine anständige Mahlzeit und etwas Ordentliches zum Anziehen bekommt.«
    Nobu folgte Gonsuké zum Haus, als die Tür aufglitt und ein hochgewachsener, stämmiger junger Mann herauskam. Die Dienstboten verbeugten sich, traten zurück und machten ihm eilig Platz. Sein Haar war kurz geschnitten, und er trug teure Kleidung im westlichen Stil. Nobu nahm mit Unbehagen die hochmütige Miene und die arrogante Haltung des Mannes wahr. Er wich zurück und war bemüht, unter den Rikscha-Ziehern und Dienern so wenig wie möglich aufzufallen. Ihm war zu Ohren gekommen, dass General Kitaoka ein Riese war, und dieser Bursche hier war riesig; sein Sohn, nahm er an. Der junge Mann schnauzte die Diener an, wirbelte herum und fixierte Nobu mit großen, schwarzen Augen, die Hände in die Hüften gestemmt. Nobu starrte trotzig zu Boden.
    »Was haben wir denn hier? Wer ist dieser mürrische Kerl? Du hast doch wohl keinen neuen Dienstboten eingestellt, Mutter? Wir können uns nicht mal die leisten, die wir schon haben.« Der junge Mann trat näher und stieß ihm den Finger in die Brust. »Du. Was kannst du zu deinen Gunsten sagen?«
    Nobu ballte die Fäuste, und er keuchte vor Wut. Nur mit Mühe konnte er sich zurückhalten, keine Dummheit zu begehen. Ihm war es zuwider, wie die Kartoffelsamurai nicht nur sein Volk besiegt, sondern es auch noch zu Sklaven gemacht hatten, es unterwürfig kriechen ließen und dabei noch unter ihrem Stiefel zerquetschten. Sein Glücksstern mochte gesunken und der dieses bäuerlichen Emporkömmlings aufgestiegen sein, doch Nobu war kein Jota schlechter als er. Aber hier befanden sie sich nicht in den Gassen von Tokyo, und außerdem war dieser Mann doppelt so groß wie er und dazu kräftig. Nobu würde keine Chance haben, wenn er gegen ihn kämpfte. Er musste den richtigen Augenblick abwarten. Das war das Los der Aizu geworden. Eines Tages würde der Moment kommen, und sie würden sich rächen. Er atmete tief durch, riss sich zusammen und neigte den Kopf.
    »Führ dich nicht so auf, Eijiro. Lass ihn in Ruhe!« Das Mädchen in dem rosa Kleid war aus ihrer Rikscha gesprungen und lief auf sie zu, die Röcke gerafft, die kleine Füße knirschend auf dem Kies. »Er kann eine Menge tun, viel mehr als du.«
    »Wir hatten ein wenig Ärger in der Schwarzen Päonie«, sagte die füllige Dame ruhig. »Jemand versuchte uns anzugreifen – ein wahnsinnig gewordener Ronin, der mit seinem Schwert herumfuchtelte. Er hätte uns töten können. Dieser Junge kam aus den Nichts und half uns, daher habe ich ihm eine Stelle angeboten. Das war das Wenigste, was ich tun konnte.«
    »Er hat uns das Leben gerettet«, bekräftigte das Mädchen. »Er wird meine Bücher tragen, wenn ich zur Schule gehe.«
    Der junge Mann richtete sich auf, und sein Gesicht verdunkelte sich. Hätte er nur auf seine Intuition gehört, dachte sich Nobu. Wenn er blieb, würde es Probleme geben. Dann blickte er verstohlen zu dem Mädchen, das den jungen Mann trotzig anfunkelte. Niemand hatte sich je für ihn eingesetzt, und schon gar nicht ein so hübsches Mädchen wie sie. Er würde noch nicht sofort gehen, nahm er sich vor.

3
    Eines Nachmittags, etwa einen Monat nach Ankunft des neuen Dienstboten, rief Fujino ihre beiden Töchter und einige Dienerinnen zusammen und ging mit ihnen zum Lagerhaus auf dem Anwesen der Residenz. Innerhalb der weiß gekalkten Erdmauern war es kalt, und Takas Atem bildete kleinen Wölkchen. Sie hatte sich in mehrere Kimonolagen gehüllt und eine wattierte Haori-Jacke darübergezogen, rieb sich aber trotzdem die Hände und steckte sie in die Ärmel, um sie zu wärmen. Die Tatamimatten fühlten sich unter ihren Füßen wie Eis an.
    Sie rümpfte die Nase. Das Lagerhaus roch nach Alter, nach Feuchtigkeit und Schimmel. Es hatte viele dunkle Ecken, die nicht mal das hellste Laternenlicht erreichte und in denen alle möglichen Ungeheuer und Geisterwesen lauern konnten.
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