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Die Tochter des Münzmeisters

Die Tochter des Münzmeisters

Titel: Die Tochter des Münzmeisters
Autoren: Marion Henneberg
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brachen die Zärtlichkeiten ab. Randolf löste sich einen Schritt von ihr und ließ die Stirnschwer gegen ihre Schulter fallen. Das wunderbare Gefühl, immer von ihm gehalten zu werden, egal was kommen mochte, war verschwunden, und Henrika stöhnte erneut. Mit zärtlichem Druck versuchte sie ihn wieder zu sich heranzuziehen, aber Randolf wich nicht von der Stelle und hob den Kopf.
    »Es hat keinen Sinn!«, stieß er verzweifelt hervor.
    Mit enttäuschter Miene wich Henrika ein Stück zurück und schüttelte nur stumm den Kopf. Allerdings vergaß sie ihr eigenes Leid fast augenblicklich, als sie die jämmerliche Gestalt des Mannes vor ihr sah, dem ihr Herz für immer gehören würde. Mit hängenden Schultern stand er da und hob zaghaft die Hand. Obwohl Henrika wusste, dass der Schmerz noch größer sein würde, wenn sie der Versuchung erneut nachgaben, vibrierte ihr Körper innerlich, während sie auf seine Berührung wartete. Als Randolf die Hand wieder sinken ließ und aus dem Verschlag stürmte, wusste sie, dass es vorbei war, und wie eine Gewitterwand drohte die Verzweiflung über ihr zusammenzubrechen.
    Eine Weile stand sie wie betäubt da, dann schüttelte sie sich. In ihre grenzenlose Enttäuschung mischte sich trotz allem auch ein klein wenig Erleichterung, denn wie hätten sie Betlindis je wieder unter die Augen treten sollen? Der Kuss hatte Randolfs noch immer vorhandene Gefühle für sie offenbart und auch bestätigt – mehr konnte und durfte sie nicht verlangen! Auch wenn die Ausweglosigkeit sie fast um den Verstand brachte. Für einen Augenblick schloss sie die Augen und durchlebte noch einmal die Leidenschaft, welche die Berührung seiner fordernden Lippen entfacht hatte. Sie löste sich widerstrebend davon und ging nach draußen.
    Henrika fand den Ritter dank des klaren Nachthimmels, der das Licht des Mondes ungehindert zur Erdedurchließ, ohne Probleme. Randolf hatte sich an eine Ecke des Hauses gelehnt. Als sie dicht hinter ihn trat, merkte sie traurig, dass seine Haltung sich sofort versteifte.
    »Es tut mir leid, dass ich Euch herausgefordert habe. Es wird nicht wieder vorkommen. Und ich bin froh, dass Ihr so stark seid und Euren Gefühle nicht ungehindert nachgebt, denn ich hätte es nicht gekonnt.«
    Eine Weile blieb es still, so dass sie schon glaubte, sein bedrückendes Schweigen sei die einzige Antwort, die sie erhielt.
    »Ich habe es beim Leben Herwins geschworen«, erwiderte er mit einem Mal völlig tonlos. »Damals, als ihn die beiden Übeltäter vor meinen Augen einfach entführt haben. Ich konnte nichts weiter tun, als hilflos zuzusehen, wie mein Sohn vor lauter Angst völlig panisch war.« Langsam drehte Randolf sich zu Henrika um und erwiderte ihren mitfühlenden Blick. »Wahrscheinlich habe ich diesen Schwur geleistet, weil ich wusste, dass ich sonst früher oder später mein Ehegelübde brechen würde.«
    Henrika hob die Hand und legte ihre Finger auf seinen Mund. »Es ist gut, Ihr müsst nicht weitersprechen. Ich bin sicher, dass Ihr Betlindis auch ohne Schwur nicht betrogen hättet, schließlich liebt Ihr sie. Wie solltet Ihr auch nicht? Sie ist ein wahrer Engel und mir eine wundervolle Freundin, die ich mit Sicherheit nicht verdiene.«
    Randolf atmete tief durch und fuhr sich durch die Haare. Dann sagte er ruhig und entschieden: »Es ist an der Zeit, Euch über mein vermeintlich hehres Ehrgefühl aufzuklären. Kommt mit hinein, denn ich möchte Euch einiges erzählen.«
    Erst weit nach Mitternacht hatte Randolf seinen Bericht beendet, und als Henrika aus der anderen Ecke desVerschlags zwischen dem gelegentlichen Grunzen des Tieres seine Atemzüge hörte, wusste sie, dass auch er keine Ruhe fand. Sie war sich trotz des Abstandes seiner körperlichen Nähe ständig bewusst, während sie über seine Worte nachdachte.
    Randolfs Geständnis, Betlindis nur aus Berechnung geheiratet zu haben, hatte sie mehr als aufgewühlt, und da sie sowieso nicht schlafen konnte, überdachte Henrika noch einmal alles.
    Vor Jahren hatte Randolf zu seinem großen Entsetzen herausbekommen, dass der Tod seines Vaters das Ergebnis einer Intrige des Erzbischofs Adalbert von Bremen war. Er schwankte einige Zeit zwischen der Dankbarkeit für die Großzügigkeit Adalberts, der sich seit Randolfs viertem Lebensjahr um seine Erziehung und sein Fortkommen gekümmert hatte, und dem Hass, den er seit dieser Entdeckung empfand.
    Bis zu dem Tag, an dem er die Lügen und Intrigen seines Förderers herausbekommen hatte,
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