Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tochter des Magiers

Die Tochter des Magiers

Titel: Die Tochter des Magiers
Autoren: Nora Roberts
Vom Netzwerk:
warten, bis der
Junge ihm vertraute. »Du hast gute Hände und geschmeidige Finger, und
für einen Jungen in deinem Alter weißt du sie geschickt zu gebrauchen.
Ich könnte dir vielleicht helfen, diese Qualitäten zu verfeinern, wenn
du dich entschließt, für mich zu arbeiten.«
    »Arbeiten?« Luke wußte nicht so recht, was er davon halten
sollte. Es war bereits lange her, seit er so etwas wie Hoffnung
empfunden hatte. »Was für Arbeit?« fragte er.
    »Dies und das.« Max lehnte sich wieder zurück und lächelte.
»Vielleicht würdest du gern ein paar Tricks lernen, Luke?
Zufälligerweise brechen wir in einigen Wochen in Richtung Süden auf. Du
kannst für Kost und Logis arbeiten und dir ein kleines Gehalt
verdienen, wenn du dich geschickt anstellst. Ich muß allerdings darum
bitten, daß du für einige Zeit keine Brieftaschen mehr stiehlst. Aber
ich bin sicher, du wirst deine Fähigkeiten auf diesem Gebiet deswegen
nicht verlernen.«
    Lukes Brust schmerzte. Erst, als er tief Luft holte, merkte
er, daß er den Atem angehalten hatte. »Ich wäre … ich wäre bei
der Zaubershow dabei?«
    Max lächelte. »Das nicht. Du würdest zunächst nur beim Auf-
und Abbau helfen. Aber du könntest einiges lernen, falls du Talent für
die Zauberei hast.«
    Die Sache mußte irgendeinen Haken haben. Es gab immer einen
Haken. Luke machte dieses Angebot so mißtrauisch, als habe Max ihn
aufgefordert, eine schlafende Schlange zu ergreifen. »Ich kann ja mal
drüber nachdenken.«
    »Das ist immer klug.« Max stellte sein leeres Glas zur Seite.
»Warum schläfst du nicht hier? Dann sehen wir morgen, wie du dich
entschieden hast. Ich hole dir Bettwäsche.« Ohne auf seine Antwort zu
warten, verschwand er hinter dem Vorhang.
    Vielleicht ist das alles bloß ein Trick, dachte Luke und kaute
an seinenFingernägeln. Aber es schien keine Falle
zu sein, jedenfalls konnte er keinen Haken erkennen. Es wäre herrlich,
wieder einmal unter einem Dach zu schlafen. Er gähnte und streckte sich
auf dem Sofa aus, nur mal zum Ausprobieren. Aber sofort wurden seine
Lider schwer, und weil ihm sein Rücken immer noch zu schaffen machte,
drehte er sich zur Seite. Ehe ihm endgültig die Augen zufielen,
schätzte er die Entfernung zur Tür ab, für den Fall, daß er rasch
verschwinden mußte.
    Er konnte am Morgen ja immer noch abhauen. Niemand konnte ihn
zwingen zu bleiben. Niemand konnte ihn mehr zu irgendwas zwingen.
    Das war sein letzter Gedanke, ehe er einschlief. Er hörte
nicht, wie Max mit einem sauberen Laken und einem Kissen zurückkam. Er
spürte nicht, daß er ihm die Schuhe abstreifte und sie neben das Sofa
stellte. Er rührte sich nicht einmal, als Max seinen Kopf etwas anhob
und sanft auf das Kissen legte, das ein wenig nach Flieder duftete.
    »Ich weiß, was du hinter dir hast«, flüsterte Max. »Ich frage
mich nur, was aus dir wird.«
    Einen Moment lang betrachtete er die Gesichtszüge des
schlafenden Jungen, die abwehrbereit geballten Fäuste, und lauschte den
tiefen Atemzügen, die seine völlige Erschöpfung verrieten.
    Dann wandte er sich um und ging zu Lily, die ihn sehnsüchtig
erwartete.

ZWEITES
KAPITEL
    L eises Vogelgezwitscher weckte Luke. Er
spürte die warme Sonne auf seinem Gesicht und dachte unwillkürlich an
den Geschmack des Honigs. Dann bemerkte er den Duft von Kaffee und
überlegte, wo er war.
    Als er schließlich die Augen öffnete, sah er das Mädchen und
erinnerte sich wieder.
    Sie stand neben dem Sofa und musterte ihn abschätzig.
    Er bemerkte, daß sie Sommersprossen auf der Nase hatte, was
ihm gestern auf der Bühne und später im Kerzenlicht nicht aufgefallen
war.
    Luke blickte sie mißmutig an und fuhr sich langsam mit der
Zunge über die Zähne. Seine Zahnbürste war in dem Rucksack, den er in
einem Supermarkt geklaut und unter einem Gebüsch in der Nähe versteckt
hatte. Er vergaß nie, sich die Zähne zu putzen, dafür hatte er viel zu
große Angst vor Zahnärzten. Seine Mutter hatte ihn vor drei Jahren zu
einem geschleppt, der nach Gin stank und dessen Hände mit rauhen
schwarzen Haaren bedeckt waren.
    Er wollte sich jetzt in Ruhe die Zähne putzen, einen heißen
Kaffee trinken und allein sein.
    »Was gibt es so zu glotzen?«
    »Nichts.« Sie hatte eben überlegt, ob sie ihn ein bißchen
kneifen sollte und war ein wenig enttäuscht, daß er schon aufgewacht
war. »Du bist mager. Lily sagt, du hättest ein schönes Gesicht, aber
ich finde es einfach nur gemein.« Luke wußte nicht so recht, ob er
empört oder
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher