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Die Tochter des Magiers

Die Tochter des Magiers

Titel: Die Tochter des Magiers
Autoren: Nora Roberts
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geschmeichelt sein sollte, daß die wunderbare Lily ihn
schön genannt hatte. Was er dagegen von Roxanne halten sollte, das
wußte er ziemlich genau. Sie war das, was sein Stiefvater ein Miststück
erster Güte genannt hätte. Aber im Grunde fand Al Cobb, jede Frau sei
mehr oder weniger ein Miststück.
    »Dafür bist du mager und häßlich. Und
jetzt verzieh dich.«
    »Ich lebe hier«, erklärte sie würdevoll. »Und wenn ich dich
nicht mag, schickt mein Daddy dich bestimmt wieder weg.«
    »Da pfeif' ich drauf.«
    »So was sagt man nicht, das ist ungezogen«, erklärte sie
entrüstet.
    »Quatsch.« Wenn er diese dumme Zimperliese richtig
schockierte, verzog sie sich hoffentlich. »Da scheiß ich drauf, das ist
ungezogen.«
    »Ehrlich?« Interessiert kam sie näher. »Kennst du noch mehr
solche Ausdrücke?«
    »Herrgott.« Er rieb sich mit den Händen übers Gesicht und
setzte sich auf. »Verschwinde, ja?«
    »Bitte, ich habe schließlich Manieren.«
Vielleicht würde er ihr noch mehr Schimpfworte verraten, wenn sie ein
bißchen freundlicher war. »Und ich weiß, was sich als Gastgeberin
gehört. Ich habe frischen Kaffee gekocht. Soll ich dir eine Tasse
holen?«
    »Du hast Kaffee gekocht?« Es war ihm unangenehm, daß sie hier
herumgewirtschaftet hatte, während er noch schlief.
    »Das ist meine Aufgabe.« Mit wichtiger Miene ging sie zum
Herd. »Daddy und Lily schlafen nämlich immer gern lange und ich nicht.
Ich habe schon als Baby nicht viel Schlaf gebraucht. Das liegt an
meinem Stoffwechsel, hat Daddy mir erklärt«, erwiderte sie und hoffte,
damit gehörig Eindruck zu machen.
    »Ja, ja.« Er schaute zu, wie sie Kaffee in eine Porzellantasse
goß. Schmeckt bestimmt gräßlich, dachte Luke und freute sich schon
darauf, ihr das zu sagen.
    »Sahne und Zucker?« säuselte sie.
    »Beides reichlich.«
    Sie nahm ihn beim Wort und brachte vorsichtig die randvolle
Tasse zum Tisch. »Du kannst auch Orangensaft haben.« Obwohl Roxanne ihn
nicht besonders mochte, machte es ihr Spaß, die Gastgeberin zu spielen.
Am liebsten hätte sie einen von Lilys langen Morgenröcken aus Seide und
ihre hochhackigen Schuhe angezogen. »Ich bringe dir ein Glas, ja?«
    »Prima.« Luke hatte sich darauf eingerichtet, beim ersten
Schluck Kaffee angewidert zusammenzuzucken und war überrascht, als er
vorsichtig probierte. Der Kaffee war selbst für seinen Geschmack ein
bißchen zu süß, trotzdem hatte er noch nie was Besseres getrunken.
»Ganz gut«, murmelte er, und Roxanne lächelte zufrieden.
    »Ich habe ein Händchen fürs Kaffeekochen. Das sagt jeder.«
Jetzt hatte sie richtig Gefallen an ihrer Rolle gefunden und steckte
eifrig Brotscheiben in den Toaster, ehe sie den Kühlschrank öffnete.
»Wie kommt es, daß du nicht bei deinen Eltern lebst?«
    »Weil ich das nicht will.«
    »Aber du mußt, auch wenn du nicht willst.«
    »Den Teufel muß ich. Außerdem habe ich keinen Vater.«
    »O Gott«, seufzte sie betroffen. Trotz ihrer acht Jahre wußte
sie, daß solche Sachen passierten. Sie hatte ja selbst ihre Mutter
verloren, aber sie konnte sich gar nicht mehr an sie erinnern. Da Lily
schon seit vielen Jahren ihren Platz einnahm, hatte sie den Verlust
ganz gut verkraftet. Aber der Gedanke, ohne Vater zu sein, machte ihr
immer angst.
    »Ist er krank geworden, oder hatte er einen Unfall?«
    »Weiß nicht, und es schert mich auch nicht. Hör damit auf.«
Unter anderen Umständen hätte sie sich eine solch schroffe Antwort
nicht bieten lassen, doch diesmal empfand sie nur Mitleid. »Was hat dir
bei der Vorstellung am besten gefallen?«
    »Weiß nicht. Die Kartentricks waren ganz gut.«
    »Ich kann auch einen. Soll ich ihn dir zeigen?« Vorsichtig goß
sie Saft in die Kristallgläser. »Nach dem Frühstück, ja? Du kannst dir
dort hinten im Bad die Hände waschen. Ich bin fast soweit.«
    Mehr als an Händewaschen war er daran interessiert, seine
schmerzende Blase zu leeren. Als er hinter dem roten Vorhang
verschwand, entdeckte er dort ein schrankgroßes Badezimmer. Es roch
irgendwie nach Schminke und Parfüm, aber es war nicht der schwere
süßliche Geruch seiner Mutter, sondern ein feiner, luxuriöser Duft.
    Über der schmalen Duschkabine hingen Strümpfe, und auf dem
Wasserkasten der Toilette lagen eine Puderdose und ein großer
rosafarbener Puderquast. In der Ecke war ein kleines Regal, das von
Flaschen, Tiegeln und Tuben überquoll.
    Hurenkram, hätte Cobb dazu gesagt, aber Luke fand das
Durcheinander irgendwie hübsch. Es erinnerte ihn an
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