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Die Tochter des Magiers

Die Tochter des Magiers

Titel: Die Tochter des Magiers
Autoren: Nora Roberts
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ein wenig
hinlegen, dann ist alles wieder gut.«
    »Ja, Ma'am.« Er wollte sich gern hinlegen, so starb es sich
bestimmt leichter.
    »Du brauchst mich doch nicht Ma'am zu nennen, Schatz. Nenn
mich Lily, genau wie alle anderen.« Sie stützte ihn mit einem Arm ab,
während sie die Tür des Wohnwagens öffnete. »Jetzt legst du dich brav
aufs Sofa, und ich hole dir ein schönes kaltes Handtuch.«
    Stöhnend sackte er mit dem Gesicht nach unten zusammen und
betete inbrünstig, daß er sich nicht noch mal übergeben mußte.
    »So, da bin ich wieder, mein Junge.« Bewaffnet mit feuchten
Tüchern und einer Schüssel – nur für alle Fälle –,
kniete sich Lily neben ihn. Nachdem sie ihm das verschwitzte Tuch von
der Stirn genommen hatte, legte sie ihm ein frisches Handtuch auf.
»Bald fühlst du dich besser, glaub mir. Ich hatte einen Bruder, dem
ging es genauso, als er das erstemal geraucht hat.« Ihre Stimme klang
leise und so beruhigend wie die einer besorgten Krankenschwester. »Aber
er hat es im Nu überstanden.«
    Mehr als ein Stöhnen brachte Luke nicht hervor. Lily strich
ihm mit dem Tuch über Hals und Gesicht. »Ruh dich einfach aus.«
Zufrieden merkte sie, daß er bereits eindöste. »So ist's recht,
Schätzchen. Danach geht es dir wieder besser.«
    Versonnen strich sie mit den Fingern über sein Haar. Es war
lang und dicht und glatt wie Seide. Wenn Max und ich zusammen ein Kind
hätten, hätte es vielleicht solches Haar gehabt, dachte sie wehmütig.
Doch ihr Körper hatte es ihr leider verwehrt, ihre überströmende Liebe
einer ganzen Schar von Kindern schenken zu können.
    Der Junge hatte wirklich ein wunderschönes Gesicht. Seine Haut
war von der Sonne gebräunt und glatt wie die eines Mädchens. Ein guter,
markanter Knochenbau. Und diese Wimpern. Sie seufzte leise. So
anziehend dieser Junge auch war und so sehr sie sich nach Kindern
sehnte, bezweifelte sie doch, daß es richtig von Max gewesen war, ihn
aufzunehmen. Er war schließlich keine Waise wie Mouse. Dieses Kind
hatte eine Mutter, und Lily konnte unmöglich glauben, daß eine Mutter
nicht alles in ihrer Macht Stehende tun würde, um ihr Kind zu behüten
und zu lieben.
    »Sie ist deinetwegen bestimmt schon ganz verrückt vor Sorge«,
murmelte Lily kopfschüttelnd. »Du bist kaum mehr als Haut und Knochen.
Ach, und dein ganzes Hemd ist naßgeschwitzt. Na, dann ziehen wir es mal
aus, damit ich es rasch durchwaschen kann.«
    Sanft streifte sie das Hemd über den Rücken hoch und
erstarrte. Er stöhnte im Schlaf, als sie unwillkürlich leise aufschrie.
Tränen schossen ihr in die Augen, und sie zog das Hemd behutsam wieder
zurecht.
    Max probte vor dem Spiegel einen Trick mit
Münzen, um zu sehen, wie es für das Publikum wirken würde. Er hatte
diese Nummer unzählige Male vorgeführt, hatte sie verbessert und daran
herumgefeilt. So wie er es mit jedem Trick machte, den er gelernt oder
entwickelt hatte, seit er zum erstenmal mit dem Klapptisch an einer
Straßenecke in New Orleans gestanden hatte und in einer Pappschachtel
die Münzen sammelte. Heute, als erfolgreicher Mann von über vierzig
Jahren, dachte er nicht mehr oft an diese Zeit zurück. Nur hin und
wieder stieg die Erinnerung an das verzweifelte Kind, das er damals
gewesen war, in ihm auf – wie jetzt durch die Begegnung mit
Luke Callahan.
    Der Junge hat gute Anlagen, überlegte Max, während er immer
mehr Goldmünzen in seinen Händen erscheinen ließ. Unter sorgfältiger
Anleitung würde er im Laufe der Zeit etwas aus sich machen können. Was
das sein mochte, mußte man den Göttern überlassen. Wenn Luke sich
entschied, bei ihnen zu bleiben, würde man in New Orleans weitersehen.
Max hob die Hände, klatschte, und alle Münzen bis auf eine verschwanden.
    »Und nichts im Ärmel«, murmelte er, da die Leute
merkwürdigerweise immer glaubten, damit das Geheimnis aller Tricks
erklären zu können.
    »Max!« Lily war über den ganzen Rummelplatz gelaufen und kam
atemlos zu ihm auf die Bühne.
    Für Max war ihr Anblick jedesmal ein Vergnügen. Wenn sie wie
jetzt nur Shorts und ein knappes T-Shirt trug und die rotlackierten
Zehennägel aus den staubigen Sandalen hervorlugten, fand er sie
unwiderstehlich. Aber als er ihr Gesicht sah, verschwand sein Lächeln.
    »Was ist passiert? Roxanne?«
    »Nein, nein.« Zitternd schlang sie die Arme um ihn. »Roxy
geht's gut. Sie hat einen der Hilfsarbeiter überredet, sie auf dem
Karussell fahren zu lassen. Aber dieser Junge, Max, dieser arme
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