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Die Tochter des Ketzers

Die Tochter des Ketzers

Titel: Die Tochter des Ketzers
Autoren: Julia Kröhn
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verdankte.
    »Gaspare meinte, dass die Genuesen ihren Sieg ihrer geschickten Taktik verdanken«, fuhr Akil indessen fort. »Eigentlich waren sie in der Unterzahl, hatten weniger Schiffe und weniger Besatzung. Aber das Kommando trug Oberto Doria – gemeinsam mit Corrado Spinolas –, und es scheint, dass die beiden ausgefuchste Seeleute sind und dass der Venezianier Alberto Morosini, der Pisa führte, ihnen nicht das Wasser reichen konnte. Zu Beginn der Schlacht gaben die Genuesen vor, schon besiegt zu sein, und flüchteten auch – doch nur zum Schein. Als die pisanischen Schiffe weit genug vorgerückt waren, gab Doria dem wartenden Angriffs-Dreieck den Befehl, zu den übrigen Genuesen aufzuschließen. Die Schlacht, die folgte, wurde zumeist von Armbrustschützen ausgetragen. Und nachdem sie mit Stahlpfeilen und Steinschleudern die Pisaner mürbegemacht hatten, wurden die Galeeren geentert. Morosini wurde von einem Pfeil getroffen.«
    »Und nun?«, fragte Caterina. »Wie wird es weitergehen?«
    Akil zuckte nur mit den Schultern.
    »Und Gaspare«, drängte sie, »was ist es, was ihn derart quält?«
    Wieder zuckte Akil mit den Schultern.
    »Sprich selbst mit ihm«, sagte er schließlich.
    Im vormals stillen Aleria begannen sich nun einzelne Laute zu erheben, Rufe vom Hafen her, wo ein weiteres Schiff eingelaufen war, das Bersten vom Holz der Türen, die eingetreten wurden, das Weinen eines Kindes, in das sich das spitze Rufen einer Frau mischte, offenbar die Mutter, die mit ihm zurückgeblieben war. Das Weinen des Kindes hielt an, die Schreie der Mutter verstummten, und Caterina hoffte inständig, man hätte sich ihrer erbarmt und ihr kein Leid zugefügt.
    Gaspare hatte sich nicht nach ihr umgedreht, als sie zu ihm trat, doch er musste an ihren leisen Schritten erkannt haben, dass sie es war, denn plötzlich begann er zu reden.
    »Pisa ist am Ende«, sagte er. »Für lange Zeit wird es am Boden liegen. Wer weiß, ob es jemals wieder hochkommt. Weißt du, was einer der Genuesen zu mir sagte?«
    Erst jetzt drehte er sich zu ihr um, starrte sie lauernd an. »Er sagte, wer künftig noch einen Pisaner sehen wolle, müsse nach Genua gehen.«
    Düsteres Schweigen folgte, es deuchte sie nicht nur verzweifelt, sondern auch ärgerlich. Immer noch konnte Caterina nicht ermessen, wovon seine Stimmung geleitet war, ob wirklich nur von Verbundenheit mit der einstigen Heimatstadt, von der Trauer darüber, dass sie so schmählich gescheitert war, dem Hass auf alle Genuesen, auch auf jene, die ihn befreit hatten?
    »Wie die Tiere werden sie die Gefangenen halten, wie die Tiere«, fuhr er fort. »Sie werden sich denken, dass dies das entscheidende Mittel ist, Pisa für alle Zeit zu schwächen, ihm einfach die jungen, kräftigen Männer zu entziehen. Und verdammt, sie haben recht. Wie anders könnte es ihnen besser gelingen als dadurch? Doch könnte man noch grausamer handeln als solcherart? Und ich, ich lass mich obendrein von Genua retten!«
    »Fühl dich doch nicht schuldig deswegen!«, rief sie über- zeugt. »Du bist wegen der Genuesen im Kerker gelandet, damals wie heute. Einst war es dein Stiefvater Onorio, dann Davide. Und jetzt wurdest du von ihnen befreit. Und hast du nicht als Kind schon jene Strafe erleiden müssen, die jetzt die unterlegenen Pisaner trifft, hast sie folglich abgebüßt? Das sollte dir nicht zur Schande gereichen, sondern dich mit der Genugtuung erfüllen, dass das Walten auf dieser Welt vielleicht doch manchmal der Gerechtigkeit unterliegt!«
    »Gerechtigkeit! Pah!«
    Er starrte in den Abendhimmel, der gerötet war, leicht zerfranst wie in den letzten Tagen. Ganz gleich, was hier auf Erden geschah – es spiegelte sich dort droben nicht in der Gestalt dunkler Wolkentürme. Das dünne Band, das die Welt zusammenhielt, schien nicht fest genug, als dass das, was sich unten zutrug, nach oben klettern konnte, um den Himmel zu beschmutzen. Ob Gott, der Allmächtige, so unberührt und gleichgültig wie der Himmel war? Geborgen von greller Sonne, dem Dunst der Wolken oder dem Sternenhimmel, die allesamt stets Seinen Launen folgten, nicht denen der Menschenkinder, die sich so weit drunten abmühten?
    »Onorio Balbi ist tot«, sprach Gaspare plötzlich in die Stille, die sich zwischen ihnen ausgebreitet hatte. »Offenbar hatte er den Befehl über eines jener Schiffe, die Ugolino della Gherar-desca, der Podestà von Pisa, bereithielt – und die er nicht mehr in den Kampf führte, nachdem er ihn als aussichtslos
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