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Die Tochter Der Goldzeit

Die Tochter Der Goldzeit

Titel: Die Tochter Der Goldzeit
Autoren: Jo Zybell
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gar nicht ließen sie ihre Capotane im Stich.
    »Was war das, Bosco?«, flüsterte der Cabullo. »Sag mir, was das war ...«
    Bosco antwortete nicht. Er nahm das Binocular entgegen, das der Altere ihm reichte. Es war feucht vom Schweiß seiner Hände. Vor den Dünen stieß der graue Ritter seine Gefangenen zu Boden, riss ein Schwert aus der Rückenscheide und schlug beiden Capotanen die Schädel ab, erst dem alten Rosch, dann dem alten Wenz. Bosco traute seinen Augen nicht, so blitzschnell ging das. Auf dem Wehrgang brach Jubelgeschrei aus.
    Der Cabullo jubelte nicht und Bosco schon gar nicht. Ihm war übel, und nicht nur vor Hunger. Er richtete das Binocular auf den grauen Ritter. Der wischte sein Langschwert an einem der Toten ab. Hinter den Sichtschlitzen seines Visiers glitzerte etwas, als würden seine Augen brennen. Er drehte sich um und stapfte zurück zu dem Winzling auf der Düne. Wer um alles in der Welt war dieser Kerl?
    Und dieser eiserne Riese vor allem - wer war der? Er sprach mit dem Zwerg, rief einen Befehl und stieg dann an der Spitze einer Kolonne aus knapp siebzig Fremden die Dünen herunter, durchquerte das verwüstete Heerlager der Seeräuber und marschierte zum Tor der Siedlung. Keiner auf dem Wehrgang sprach noch ein Wort. Die meisten der fremden Krieger trugen dunkle Helme und mit schwarzem Leder bespannte Rüstungen. Einige waren in schwarze Mäntel gehüllt, manche auch in rote. An den grazileren Bewegungen und zierlicheren Gestalten glaubte Bosco auch etliche Frauen unter ihnen zu erkennen. Vor dem Tor machten die Fremden halt.
    Der Riese ragte aus ihrer ersten Reihe auf. An zwei Ketten, die er sich um den linken Unterarm gewickelt hatte, führte er die beiden Caniden - Rüden, wie es aussah. Schwarz-weiß gescheckte Giganten waren das, größer als der größte Wildeber, den Bosco bislang zu Gesicht bekommen hatte; säbelförmige Reißzähne ragten unter ihren lappenartigen, schwarzen Lefzen hervor. Die Rüstung ihres Herrn war aus schmutzigem, schwarzem Eisen, sein Visier geschlossen, und in der Rechten hielt er einen Speer, lang wie eine junge Kiefer. Dessen Schaft stieß er ein paar Mal gegen das Tor.
    Ob er wollte oder nicht - der Cabullo war der Cabullo und verdammt dazu, eine gute Figur zu machen, also trat er an die Zinnen und beugte sich über die Mauerkrone. Vermutlich wollte er irgendetwas sagen, doch mehr als ein Räuspern kam nicht über seine Lippen; der Anblick des schwarzen Eisenmannes verschlug ihm wohl die Sprache.
    »Bist du der Prim hier?«, fragte der Eiserne. Sein Bass dröhnte, und er dröhnte noch lauter, als der Cabullo nicht reagierte: »Bist du der Erste in diesem Dorf? Sprich!« Hinter den Augenschlitzen seines Visiers leuchtete es grellblau und weiß und violett.
    Jetzt nickte der Cabullo von Chiklyo.
    »Mach dir keine Sorgen«, dröhnte es dumpf hinter dem Visier des schwarzen Hünen. »Alles wird gut - wir müssen nicht jedes Mal gleich Blitz und Donner entfesseln, nicht wahr?«
    Der Cabullo nickte stumm.
    »Schon gar nicht mit unsichtbaren Fäusten zuschlagen, oder?«
    Und wieder nickte der Cabullo.
    »Also, was ist?«, fragte der schwarze Hüne. »Wollt ihr nicht endlich das Tor aufmachen?«
    Bosco musste immer auf das blaue Licht starren, das aus den Augenschlitzen des Eisernen strahlte. Es machte ihm Angst, und die Angst war auch in den anderen Gesichtern auf dem Wehrgang zu beobachten, einschließlich der Miene des Cabullos. Der hing zwischen den Zinnen wie eingeklemmt. Was würde er tun?
    Bosco sah das unheimliche Licht, dachte an die Dampfschiffe, an die fremde Flagge, die grellen Blitze und die scheinbar grundlos stürzenden Zelte und Seeräuber - und inbrünstig hoffte er, der Cabullo würde sich weigern, das Tor zu öffnen. Zugleich aber knurrte sein Magen und ihm war schwindlig vor Hunger. Noch inbrünstiger hoffte er also, der Cabullo würde es endlich öffnen.
    »Also gut«, sagte der Cabullo, »dann lass ich halt aufmachen.« Mit stummen Gesten gab er den Befehl, und bald darauf zog der schwarze Riese mit seinen Mammutcaniden an der Spitze seiner Leute durch das Tor und nahm die Siedlung ein. Der Zwerg und sein grauer Ritter beobachteten den Einzug des Eisernen vom Dünenkamm aus.
    Versteckt in der Menge und unter der Kapuze seines Dachsfellmantels richtete Bosco seinen verborgenen Sinn auf den Eisenkrieger, als der vorüberging. Nichts spürte er, gar nichts. Er versuchte es mit einem der Rüden, konzentrierte seine Gedanken auf das große Tier,
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