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Die Tochter Der Goldzeit

Die Tochter Der Goldzeit

Titel: Die Tochter Der Goldzeit
Autoren: Jo Zybell
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Schiffe, von denen Rauch aufstieg, ohne dass sie brannten? So etwas gab es nicht, hatte es nie gegeben!
    »Dämonen!«, flüsterte die Alte. »Dann sind es Dämonen!«
    »Beruhige dich, Großmütterchen, es sind auch keine Dämonen.« Wieder wusste Bosco es besser. Nicht, weil er solche Schiffe kannte, sondern weil er die meisten Bände der Chronik von Tikanum gelesen hatte. Und das, obwohl er noch nicht einmal fünfundzwanzig Sommer zählte. Die Alten hatten solche Schiffe gebaut; Schiffe, die rauchten, ohne zu brennen. Früher, in den Zeiten, die all die Barbaren hier Goldzeit nannten, vor den Katastrophen, die bei ihnen nur Götternacht hießen. Lang her, ewig lang her.
    Im Kriegslager der Tiefländer unterhalb der Dünen schlief jetzt keiner mehr. Einer ihrer Capotane - so nannten die Meeresnomaden ihre Anführer - scheuchte die Männer die Dünen hinauf, der andere stand schon oben mit seinen Kämpfern. Struppig sahen sie aus, die wilden Kerle, schmutzig und gelbschwarz.
    Das Stimmengewirr auf dem Wehrgang senkte sich zu verhaltenem Gemurmel. Zwei junge Wildsaujäger zogen den Cabullo von der letzten Leitersprosse auf die Mauer herauf.
    »Was ist hier los?« Ächzend schaukelte er zu den Zinnen. Er war nicht mehr der Jüngste, der Dorfhäuptling, der Vater von Boscos Mädchen, und einen fetten Wanst schob er auch vor sich her. »Ich dachte, sie greifen schon wieder an, die dreckigen Caniden!« Er spuckte aus, spähte zum Strand, und gleich zog ihm die Verblüffung die Kinnlade herunter. »Weg mit euch!« Der Cabullo begann zu fuchteln. »Weiber, Kinder, alle runter von der Mauer!« Er kam zu Bosco. »Wer beim heiligen Regenwurm fährt mit rauchenden Schiffen durch die Welt? Kennst du die, Bosco?«
    »Glaub nicht.« Bosco holte sein Doppelglas aus der Tasche, sein Binocular. Bei den Barbaren hatte er den Ruf, weit herum gekommen zu sein und so ziemlich alles schon gesehen zu haben, was es zwischen Himmel und Erde gab. Einer der Vorteile, wenn man sich als halbwegs belesener Mensch unter wildes Volk mischte. Er beugte sich zwischen die Zinnen und setzte das Glas an die Augen. Die Leute hier glaubten, er hätte es im Schutt der großen Ruinenstadt an der Westküste Apenyas ausgegraben. Keiner wusste, wer er wirklich war.
    Bosco stutzte: Drei weitere Rauchsäulen tauchten aus dem Dunst auf. Er richtete das Glas auf die Dünen und das Kriegslager der Tiefländer. Die Seeräuber rannten zwischen den Zelten und vor allem auf dem Dünenkamm hin und her, vielleicht waren es hundertzwanzig, vielleicht mehr. Sie palaverten und wussten wohl selbst nicht recht, was sie von den Fremden halten sollten. Zwei Sippen von zwei wendigen Dreimastseglern waren es, Tiefländer vom Stamm der Poruzzen. Die Sippen hießen Rosch und Wenz, und wie die meisten Poruzzen trugen sie Gelbschwarz: Harnisch, Mäntel, Jacken, Bärte, Haare, sogar die Visagen und Glatzen - alles gelbschwarz. Seit sieben Tagen rannten sie gegen die Mauer an. Vergeblich zum Glück, doch es gab nichts mehr zu essen in Chiklyo; so hieß die Siedlung, genau wie die Insel. Heute jedenfalls würden sie keinen neuen Sturmangriff versuchen, die Poruzzen, da legte Bosco sich schon einmal fest. Den Fremden und ihren riesigen Schiffen galt nun ihre Aufmerksamkeit. Sehr gut!
    Er richtete das Glas auf das erste Schiff. Die Dunstschwaden lagen inzwischen hinter dem Großkahn, und deutlich erkannte Bosco jetzt das schwarze Rohr zwischen den beiden mittleren Masten. Aus ihm stieg der Rauch. Sogar den Namenszug am Bug konnte er entziffern: Etlantyca. Die Flagge am Hauptmast kannte er nicht - ein Greif über einem Schild und flankiert von anderem Getier, wie Flaggen eben aussahen. Die Gestalten, die sich über die Reling beugten, trugen schwarze oder rote Kappen, lächerlich enge Ganzkörperanzüge und lange Mäntel, ebenfalls schwarz oder rot. Ihre Gesichter waren glattrasiert.
    Barbaren rasierten sich nicht, und Bosco bekam es mit der Angst.
    Einen sah er an der Bugreling stehen, der jagte ihm sogar einen Schrecken ein, denn der Kerl war groß - riesengroß! -, und er trug eine schwarze Rüstung mit geschlossenem Helmvisier. Neben ihm entdeckte Bosco einen mit Augengläsern, der kaum über die Reling schauen konnte. Ein Verdacht beschlich ihn, ein schlimmer Verdacht.
    »Kenn ich nicht.« Sein Herz klopfte. Irgendetwas hatte er gelesen, in der Chronik von Tikanum, irgendetwas über einen großen schwarzen Kerl. Himmel, warum fiel ihm nicht ein, was genau?
    »Und die Flagge?« Der
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