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Die Tochter Der Goldzeit

Die Tochter Der Goldzeit

Titel: Die Tochter Der Goldzeit
Autoren: Jo Zybell
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Orkanböe fegte über die Mauerkrone.
    Bosco kniff geblendet die Lider zusammen, ließ sich auf den Wehrgang fallen, presste die Faust vor die Lippen. Seine Augen schmerzten, sein Hirn war leer. Niemand stand mehr, alle kauerten jetzt unter den Zinnen auf den Holzbohlen des Wehrgangs. Neben ihm fluchte der Cabullo - vielleicht betete er auch -, neben diesem stammelte einer den Namen irgendeines Gottes, ein anderer zischte einen Zauberspruch gegen Dämonen, und zwei Halbwüchsige riefen nach ihrer Mutter.
    Noch einmal zuckte ein Blitz durch den Morgenhimmel, und gleich darauf wieder dieses ohrenbetäubende Krachen. In Boscos Hirn drehte sich ein Karussell aus Bildern, Fragen und Empfindungen. Er dachte an Berichte von Kriegen lange vor der Götternacht, vergilbte Bilder von toten Städten standen ihm vor Augen, und er versuchte sich an das zu erinnern, was die Meisterin ihn über verbotene Waffen gelehrt hatte. Wieder fegte ein Windstoß über die Zinnen.
    Danach blieb es erst einmal ruhig. Nur das Getrommel seines Herzens hörte Bosco noch, die keuchenden Atemzüge der Männer neben ihm und das fluchende Geflüster des Cabullos. Irgendwann dann Stimmen von den Dünen her, aufgeregte Stimmen, die sich näherten. Bosco wagte es als Erster, schob sich behutsam am Steinwall hoch, lugte vorsichtig zwischen den Zinnen hindurch.
    Die Poruzzen. Sie rannten wie die Langohren. Sechzig oder siebzig Männer, an der Spitze der Sohn eines Capotans. Nach einem Sturmangriff sah das nicht aus.
    »Suchen also keinen Streit ...«, zischte der Cabullo unter ihm. »Was du nicht sagst!«
    Bosco drückte das Glas an die Augen - der junge Rosch ruderte mit den Armen, winkte seine Leute hinter sich her. Er hieß Cahn, Cahn Rosch, genau. Bosco wusste es, weil das Großmaul sich dreimal am Tag vor dem Tor aufgeblasen und die Übergabe der Siedlung gefordert hatte. Der junge, kahlköpfige Hüne trug einen Mantel aus schwarzen und gelben Flicken und hatte seine Glatze mit schwarzen und gelben Streifen bemalt.
    Seinen Vater, den Capotan, entdeckte Bosco in den hinteren Reihen der Flüchtenden. Neben ihm stolperte der Anführer der Wenz-Sippe. Bosco kannte die Häuptlinge der Meeresnomaden inzwischen, hatte sich ja Tag für Tag ihr Geprahle anhören müssen.
    Nacheinander tauchte ein Dutzend der Fremden vom Viermaster auf dem Dünenkamm auf. Auch der Winzling mit den Augengläsern und der schwarze Riese. An Ketten zerrte der zwei mächtige Caniden zu sich, ging auf die Knie, klemmte die Nacken der Caniden unter seine eisernen Arme, hielt sie fest.
    »Was macht der da?« Neben Bosco hatte sich nun auch der Cabullo aus der Deckung gewagt. Er riss dem Jüngeren wieder das Binocular aus den Händen und drückte es selbst an die Augen. »Beschwört der die Geister? Betet der?«
    »Mit seinen Kötern?« Bosco wusste nicht, was er davon halten sollte: Immer mehr Fremde erschienen auf dem Dünenkamm und keiner nahm die Verfolgung der Seeräuber auf; alle standen nur reglos da und blickten der flüchtenden Horde nach. Ganz unrecht hatte der Cabullo nicht: Tatsächlich glich der Riese einem in Andacht Versunkenen, wie er da vierhundert Schritte entfernt zwischen seinen Caniden kniete und sie umarmte.
    Es geschah so unverhofft, dass Bosco und der Cabullo den Atem anhielten: Die Zelte der Poruzzen brachen zusammen, und die hinteren Reihen der Flüchtenden stürzten in den Sand. Es war, als hätte die unsichtbare Hand eines Titanen Zelte und Seeräuber mit einem einzigen Hieb zu Boden geschlagen, als hätte eine Orkanböe sie umgerissen.
    Gab es eine Erklärung dafür? Bosco hatte keine. Er fror plötzlich, und er sah, wie dem Cabullo neben ihm die Unterlippe zitterte.
    Die gestürzten Poruzzen stemmten sich wieder hoch, taumelten hinter ihren Gefährten her. Ein grauer Ritter mit rotem Mantel tauchte plötzlich zwischen dem Zwerg und dem schwarzen Riesen auf. Er sprang die Düne herunter jagte mit wehendem Mantel den Flüchtenden nach, erwischte die beiden letzten und hielt sie fest -Cahn und Wenz, die alten Capotane. Ihre Männer rannten weiter, rannten rechts und links an Chiklyo vorbei Richtung Nordküste, wo das zweite Schiff der Seeräuber ankerte. Die Mauern der Siedlung beachteten sie nicht, ihr zerstörtes Lager ließen sie zurück.
    Die Flucht der Poruzzen erschütterte Bosco fast noch mehr als die Feuerblitze und der unerklärliche Zusammenbruch der Zelte und der Flüchtenden - Tiefländer rannten normalerweise nicht weg, vor niemandem. Und schon
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