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Die Tochter Der Goldzeit

Die Tochter Der Goldzeit

Titel: Die Tochter Der Goldzeit
Autoren: Jo Zybell
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gar nichts fühlte sie mehr, sie hatte aufgegeben.
    Wer ist das schon - Ich? Die Worte der Meisterin fielen ihr ein. Wie lange war das her? Das Leben fließt und fließt. Das hatte Grittana gesagt, damals nach dem Frauenfest auf dem Schiff. Was sind wir denn gegen das Leben? Was ist schon ein Ich gegen das Leben? Nur wenn wir uns hineinwerfen in seine Fluten, wird seine Größe und Schönheit auch in uns aufleuchten ...
    So versunken war sie in die Erinnerung, so gebannt von der erinnerten Stimme der Meisterin, dass sie gar nicht merkte, wie Burgas plötzlich stehen blieb. Sie prallte gegen ihn, wich erschrocken zur Seite und starrte den Throngardisten an. Ein Pfeil ragte unterhalb des linken Schulterblattes aus seinem Rücken. Wie ein gefällter Baum kippt und stürzt, so kippte der Hüne nach vorn und stürzte in den Schnee.
    Zwei Mammutschafe standen unterhalb des Hanges im Schnee. Auf einem saßen Polderau und Zorcan. Eine tote Großkatze hing vor ihrem Sattel auf dem Nacken des Widders. Der Rücken des anderen Tieres war leer. Weronius stand neben ihm und blickte zu ihr.
    Zwei Männer stapften zu Katanja herauf. Einer hielt eine Armbrust in der Linken, seine Rechte war ein Eisenhaken. Der zweite hatte rotes Haar. Jacub.
    Er befreite sie aus dem Jagdnetz. Sie fielen sich in die Arme. »Ich will nicht mehr ohne dich sein«, flüsterte Katanja. »Hörst du das? Ich will immer mit dir zusammen sein.« Sie küssten sich und hielten einander fest, als wollten sie nie wieder loslassen.
    *
    Am nächsten Morgen schickte Weronius Merkur mit einer Botschaft nach Altbergen. Die Albriden begruben ihre Königin und ordneten sich der Befehlsgewalt des Flottenmeisters Maragostes unter. Aus Dankbarkeit für seine Rettung stellte Maragostes Jacub und Katanja unter seinen persönlichen Schutz. Die Südländer hatten sich in alle Himmelsrichtungen zerstreut. Von den Jusarikanern fehlte jede Spur. Jacub nahm an, dass die Raubpelze sie gefressen hatten.
    Dreißig Wagen formierten sich im Flusstal zu einer Kolonne. Während die überlebenden Krieger - neunzig Dalusianer und knapp hundert Albriden - die Fahrzeuge bepackten und die Tiere anspannten, stiegen die Frau von Altbergen und Jacub zu dem Hügelkamm hinauf, auf dem Katanja den sterbenden Bosco zurückgelassen hatte. Dort stand eine schwarz vermummte Frauengestalt und starrte in den Schnee. Silbergraues Langhaar fiel aus ihrer Kapuze. Neben ihr blieben sie stehen. Katanja griff nach ihrer Hand. Schweigend betrachteten sie den Abdruck von Boscos Körper im Schnee; auch sein Blut sahen sie. Seine Leiche fanden sie nirgends.
    Katanja blickte nach Westen. Dorthin, wo die drei großen weißen Vögel geflogen waren. In ihrer Faust lag die goldene Fassung des zerstörten Goldzeitschatzes. Was geschehen war, erschien ihr wie ein Traum, den zu schildern Worte nicht ausreichten. Auch viele Winter später noch, wenn sie an diese Tage zurückdachte, war ihr, als würde sie an einen Traum zurückdenken.
    Gegen Mittag machten sie sich auf den Rückweg an den Nordsund.

Epilog
    Wind kommt auf. Das Licht der Mittagssonne glitzert auf den Wogen. Die See ist ruhig, die Luft mild. Im Westen und Süden treiben künstliche Inseln in Sichtweite. Die Anderen warten auf einer natürlichen Insel der Tausendinselsee. Sie stehen in der Brandung, Hegen im Sand, viele schwimmen in den Wogen am Meeresufer.
    Eine Zeitfuge hat sich hier auf der Insel aufgetan, kürzlich erst, und nicht nur hier.
    Im Westen, auf dem offenen Nordmeer, segeln zwei Schiffe nach Süden, zwei Dreimaster. Sie kommen von weit her aus dem Norden.
    »Und jetzt?« Die rothaarige Frau schirmt die Augen mit beiden Händen ab, späht aufs offene Meer hinaus. Der Wind spielt mit den Falten ihres moosgrünen Gewandes, sein Saum schwimmt in der Brandung. »Was geschieht jetzt?«
    »Nichts geschieht mehr. Es ist vorbei.« Bis auf sein schwarz-graues, knochiges Gesicht und seine langen, dürren Hände hat der verwachsene Gnom sich in den Sand eingegraben. »Kannst du sie erkennen?«
    »Natürlich.« Sentuya nickt. »Ich beneide dein Täubchen.«
    »Hab kein >Täubchen<, was redest du da?«, krächzt es aus dem Sand. »Niemals ein >Täubchen< gehabt! Was tut sie denn, was?«
    Sentuya späht aufs Meer hinaus zu den Schiffen. Ihre scharfen Augen erkennen jede Einzelheit. »Sie küsst ihn, und er küsst sie.«
    »Was? Was?« Sakrydor wühlt sich aus seinem Sandloch, springt auf, schaukelt in die Brandung, bis er neben Sentuya steht. »Immer noch der
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