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Die Tiere in meiner Arche

Die Tiere in meiner Arche

Titel: Die Tiere in meiner Arche
Autoren: Gerald Malcolm Durrell
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trotz unserer Vorsichtsmaßnahmen parasitäre Infektionen einführten. Wir schicken sie jetzt zum Tierschutzverband der Insel und helfen aus der Ferne mit Rat und Tat, falls das notwendig sein sollte.
    Quarantäne und Untersuchungen bilden unsere erste Abwehrfront, aber wir sind uns im klaren darüber, daß diese leider nicht unüberwindlich ist. Nehmen wir einmal die gefürchtete Aspergillose, die durch einen Pilz hervorgerufen wird, der in den Lungen von Vögeln gedeiht. Gegen sie gibt es heute noch kein Heilmittel. Vieles spricht dafür, daß ein Vogel jahrelang mit einem niedriggradigen Befall dieser Pilze leben kann, ohne irgendwelche Anzeichen davon zu zeigen. Wird der Vogel jedoch unter Streß gesetzt, wenn er beispielsweise gefangen werden muß, um von einem Gehege in ein anderes gebracht oder verschickt zu werden, dann bricht die Krankheit in voller Stärke aus und führt innerhalb kurzer Zeit zum Tod des Tieres. Da die Krankheit in vielen Fällen nicht zu erkennen ist, sieht es dann so aus, als stürbe ein scheinbar kerngesunder Vogel ganz plötzlich aus unerfindlichem Grund. Erst bei der Autopsie stellt sich heraus, daß seine Lungen wahre Brutstätten von Pilzkulturen sind. Die Gefahr, daß einem so etwas mit einem neu eingetroffenen Vogel passiert, ist natürlich beträchtlich. Wie ich schon an anderer Stelle berichtet habe, litt einer der Weißen Ohrfasanenhähne an dieser Krankheit, als er bei uns ankam, und er starb innerhalb von vierundzwanzig Stunden. Mit den Weißen Ohrfasanen, die wir in Jersey gezüchtet hatten, haben wir das gleiche Problem gehabt. Wir sandten sie ab, scheinbar in bester Verfassung, und hörten dann, daß sie vierundzwanzig Stunden nach ihrer Ankunft an Aspergillose gestorben waren. Selbstverständlich waren sie schon befallen, ehe sie unseren Zoo verließen, doch es waren keine Anzeichen dafür zu sehen gewesen.
    Ähnlich gelagert war der Fall bei unserem männlichen Borneo-Orang-Utan Oscar. Jahrelang wirkte er absolut gesund und munter, bis sich eines Tages zeigte, daß er an einer tödlichen Krankheit litt. Wir hatten Oscar bekommen, als er noch ein winziges Etwas war. Während seiner Kindheit hatte er die üblichen Erkältungen gehabt, sich aber nie eine ernstere Krankheit zugezogen. Mit der Zeit wuchs er sich zu einem der prachtvollsten Orang-Utans aus, die ich je gesehen habe, mit den breiten, fleischigen Backenwülsten, die seiner Art eigen sind und kleinen, scharfblickenden Augen. Oscar besaß die Körperkraft von zwei Männern und schien bei bester Gesundheit zu sein. Eines Tages jedoch trat bei ihm, ohne daß ein Grund ersichtlich gewesen wäre, eine gewisse Unlust auf. Vier Tage später war dieser kraftvolle und scheinbar kerngesunde Orang-Utan tot.
    Der Verfall begann mit einem Desinteresse an seinem Futter. Diese Appetitlosigkeit konnte natürlich alle möglichen Ursachen haben, von einer Erkältung bis zu Zahnschmerzen; doch wir halten es, wenn ein Tier wirklich einmal Krankheitssymptome zeigt, stets für das sicherste, das Schlimmste anzunehmen. Wie das bei unseren Menschenaffen üblich ist, wurden sowohl unsere beiden Tierärzte als auch unser Arzt gerufen; es war jedoch angesichts der mageren Symptome schwierig, eine Diagnose zu stellen. Doch wurde Oscar behandelt, so weit das unter den gegebenen Umständen möglich war.
    Am zweiten Tag bekam er Durchfall, und von da an ging es ständig bergab mit ihm. Wir waren in der mißlichen Lage, daß wir ihn nicht betäuben konnten, um eine gründliche Untersuchung vorzunehmen; sein Zustand verschlechterte sich so rapide, daß ein Betäubungsmittel ihn hätte töten können. Und so kam der letzte Tag, dessen Ablauf in unserer Kartei auf gezeichnet ist.
    Mittwoch, 25. Juli
    0.15 Uhr. Tier scheint leicht zu husten.
    0.40 Uhr. Tier erbrach sehr wenig Flüssigkeit.
    1.30-3.15 Uhr. Tier sehr rastlos während dieser Zeit, schlief nicht viel und veränderte häufig seine Lage. Magenkrämpfe in längeren Abständen. Erbrechen wurde aber nur einmal beobachtet. Seine Augen sind sehr glänzend, und er scheint ganz da zu sein.
    3.55 Uhr. Rollte sich auf die Seite, Magenkrämpfe, Winde.
    4.10-5.40 Uhr. Schlief recht gut mit gelegentlichen Lageveränderungen. Atmung 21-22 pro Min.
    5.40 Uhr. Wurde sehr munter, setzte sich auf, indem er sich an die Wand lehnte. Verweigerte, als ihm etwas zu trinken angeboten wurde.
    5.45 Uhr. Liegt auf dem Rücken und döst. Grunzt gelegentlich.
    5.55 Uhr. Drehte sich auf die Seite, dann auf den Bauch.
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