Die Tiere in meiner Arche
Tigerrohrdommel den Flügel schiente, und es war mir bei den Schmerzen, die ich ausstand, kaum ein Trost zu wissen, daß der Vogel sein Ziel verfehlt hatte. Er hatte es auf mein Auge abgesehen.
Ich möchte in meiner Einstellung den Ärzten gegenüber nicht unbillig erscheinen, aber sie haben wirklich im Vergleich zu denen, die mit Tieren zu tun haben, einen recht bequemen Job. Ich möchte wetten, daß jeder normale praktische Arzt in blinder Verzweiflung sein Diplom zerreißen würde, wenn er sich plötzlich mit siebenunddreißig Affen konfrontiert sähe, die alle an akutem Durchfall leiden, weil ein afrikanischer Wärter ihnen versehentlich ein Abführmittel gefüttert hat; und das zehn Minuten, bevor man an Bord eines Schiffes gehen soll, dessen Kapitän bekannt ist für seine Tierfeindlichkeit. Doch so hart die Schule ist, durch die man da geht, sie gibt einem für später ein gutes Rüstzeug mit. Und wenn man dann bei der Tierbehandlung Erfolg hat, ist man überrascht und hochbefriedigt.
Die Arten des Umgangs mit Tieren in freier Wildbahn und in einem gutgeführten Zoo sind ähnlich, aber nicht identisch. Seit Jahren streiten sich die Zoofachleute darüber, ob es wünschenswert ist, für Tiere Krankenhäuser einzurichten oder nicht. Die eine Seite behauptet, ein krankes Tier müßte von seinen Artgenossen getrennt werden, damit eine Verbreitung der Krankheit verhütet wird, das Tier sich in hygienischer Umgebung erholen und der Tierarzt es unter den kontrollierten Bedingungen behandeln kann. Die andere Seite hält diesen Argumenten entgegen, daß ein Krankenhaus zwar notwendig sein mag zur Gewährleistung der hygienischen Bedingungen, die für eine Operation nötig sind, daß aber die psychologische Wirkung auf das Tier — wenn es aus der vertrauten Umgebung in eine unsympathische, fremd riechende verbracht und dazu noch der Kontakt zu ihm vertrauten Menschen entzogen wird, um nunmehr von einem völlig Fremden versorgt zu werden — weit schädlicher ist, als seine rasche Rückkehr in ein unhygienisches, aber vertrautes Quartier, wo es sich geborgen fühlt. Ich neige mehr zu der Auffassung der zweiten Seite. Eine ernste Krankheit hat auf ein Tier ohnehin schon eine niederschmetternde Wirkung. Wenn dann noch die Angst, die unweigerlich durch die Behandlung oder die Operation heraufbeschworen wird, hinzukommt, und schließlich auch noch der Entzug der vertrauten und tröstlichen Umgebung mit den gewohnten menschlichen Kontakten, dann kann es viel eher geschehen, daß das Tier aus Angst oder an Depressionen eingeht.
Als der Trust noch in den Anfängen steckte, war für uns die Frage, ob Krankenhaus oder nicht, eine rein theoretische. Wir hatten gar nicht das Geld, um ein Krankenhaus zu bauen, und mußten daher einen dritten Weg einschlagen: nach besten Kräften dafür zu sorgen, daß wir keines brauchen würden. Das heißt, indem wir das Geld, das wir hatten, dafür ausgaben, das bestmögliche Futter zu besorgen und behagliche Unterkünfte für die Tiere zu schaffen, praktizierten wir gewissermaßen eine Art Vorsorgemedizin.
Wir haben festgestellt, daß das eine gute Methode ist. Das Vorkommen von Krankheiten war in unserem Zoo, wenn man die Größe und die Vielfalt unseres Tierbestands berücksichtigt, außergewöhnlich gering. Aber das soll nicht heißen, daß wir völlig verschont geblieben sind. Wir haben unser Quantum an Krankheiten, Epidemien und Unfällen, die durch jene Macht verursacht wurden, die von Versicherungsgesellschaften >höhere Gewalt< genannt wird.
Unser Mangel an fachlichen Einrichtungen hat jedoch unseren geplagten Tierärzten viele Probleme aufgegeben. Eine größere Unterleibsoperation ist immer gefährlich. Wenn man sie aber an einem Ort vornehmen muß, wo für absolute Keimfreiheit nicht gesorgt werden kann, dann vergrößert sich die Gefahr wesentlich. Und wenn man seinen Patienten nach der Operation unter solchen Bedingungen auch unterbringen muß, dann verdoppeln sich damit die Chancen auf ein Mißlingen.
Unsere erste einschlägige Erfahrung machten wir, als eine Löwin, die kurz vor der Niederkunft stand, sich eine Infektion zuzog, durch die Darmgase gebildet wurden. Als die Wehen begannen, konnte sie nicht gebären. Wir befanden uns in einer schwierigen Situation; oral ließ sich das Tier kein Betäubungsmittel geben, und wir waren zu dieser Zeit so bettelarm, daß wir uns den Luxus eines Narkosegewehrs nicht leisten konnten. Die ganze Geschichte war um so schwieriger, als sie
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