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Die Tiefen deines Herzens

Die Tiefen deines Herzens

Titel: Die Tiefen deines Herzens
Autoren: Antje Szillat
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Fuß steckt fest«, murmelte er irgendwie peinlich berührt.
    Und dann sah ich es. Eine Kiste war umgefallen und hatte dabei Felix’ linken Fuß zwischen sich und der rechten Holzwand so fest eingequetscht, dass er ohne Hilfe nicht mehr loskam.
    Ich ging neben ihm in die Hocke und versuchte, das Teil zur Seite zu rücken. Aber es ließ sich kaum bewegen.
    »Mein Güte«, ächzte ich, »was ist denn da bitte drin? Backsteine? «
    »So ähnlich«, brummte Felix. »Meine Steinsammlung.«
    Ich sah mich um. Tatsächlich, sie waren alle fort.
    »Warum hast du sie eingepackt?«
    »Leni, das ist wohl nicht der passende Moment«, fuhr er mich an und zeigte erneut auf seinen eingeklemmten Fuß.
    Ich wollte widersprechen, dass es sehr wohl eine Rolle spielte, warum er seine Steine, die er als Kind so heiß geliebt hatte, mit einem Mal entsorgen wollte, besann mich dann aber eines Besseren, weil er natürlich recht hatte.
    Ich beugte mich noch weiter über die Kiste und stellte fest, dass sie sich mit einer Bodenplanke verkeilt hatte.
    »Warte«, sagte ich. »Gleich hab ich es.«
    Ich presste die Planke mit ganzer Kraft runter und forderte Felix auf, gemeinsam mit mir gegen die Kiste zu drücken.
    Es gab ein lang gezogenes ratschendes Geräusch und keine Sekunde später war Felix befreit.
    Sofort machte er sich daran, seinen Fuß zu untersuchen. Dann trat er ein paarmal vorsichtig auf. Zog das Hosenbein hoch, tastete wieder Fuß, Schienbein und Wade ab und seufzte schließlich erleichtert auf.
    »Alles okay mit deinem Fuß?«, erkundigte ich mich.
    Er nickte. »Noch mal Glück gehabt.«
    Danach herrschte Schweigen im Baumhaus.
    Felix blickte auf seinen Knöchel. Ich auf meine Hände.
    Nach einer Weile sagte ich leise: »Dann gehe ich jetzt wohl mal wieder.«
    Er nickte. »Ja.«
    Ich erhob mich und ging in geduckter Haltung die zwei Schritte zum Ausgang hinüber.
    Mein Fuß befand sich schon auf der obersten Stufe, da hörte ich ihn hinter mir sagen: »Ist mit deinem Bein inzwischen wieder alles okay?«
    Ich hielt in der Bewegung inne, wandte mich aber nicht um, als ich ebenso leise erwiderte: »Ja. Alles wieder gut.«
    »Das freut mich für dich.«
    »Und wie geht es dir?«, wagte ich mich vor. »Fühlst du dich wohl bei deinem neuen Verein?«
    Er hob die Schultern. »Klar. Schon. Manchmal fehlt mir natürlich Berlin. Ist halt mein Zuhause. Das vergisst man so schnell nicht.«
    Ich suchte seinen Blick. »Es tut mir leid, Felix. So sehr.«
    Er hob abwehrend die Hände. »Nicht, Leni. Lass es einfach.«
    Ich nickte. »Es tut mir …«
    Plötzlich wurde er wütend. »Verdammt noch mal, verstehst du nicht? Ich will das nicht hören. Vor allem nicht dein ständiges Es-tut-mir-leid-Gelaber.«
    Ich zuckte zusammen, als ob mich jemand geschlagen hätte. Und dann explodierte etwas in mir. Als ob ein riesiger Knoten zerplatzte – erst in meinem Herzen, dann in meinem Kopf.
    »Ja, ja, Felix, ich weiß. Ich habe dich schrecklich enttäuscht«, funkelte ich ihn zornig an. »Aber manchmal kann man eben nicht anders. Es gibt Dinge im Leben, die kann man nicht planen. Die sind einfach da – schwupp – und geschehen. Man nennt so was Schicksal.« Ich zitterte am ganzen Körper. »Weißt du, du fehlst mir schrecklich. Ich bin unendlich traurig, dass du nichts mehr mit mir zu tun haben willst. Auch wenn ich es verstehen kann. Aber was Marc betrifft, gibt es nichts, wofür ich mich entschuldigen könnte, weil alles, was geschehen ist, aus Liebe geschah.«
    Ich wollte nicht weinen. Nicht schon wieder weinen und erst recht nicht vor Felix. Ich wollte jetzt einfach nur noch weg. Doch dann kullerten die Tränen schon aus meinen Augen, noch bevor ich die Stufen hinabsteigen und aus Felix’ Blickfeld verschwinden konnte.
    Er beugte sich vor und hielt mich am Ärmel zurück. Das Gesicht blass, die sonst so leuchtend blauen Augen leer und stumpf. »Geh nicht.«
    Und ich blieb.
    Wir hockten nebeneinander auf der schmalen Holzbank. Unsere Knie berührten sich. Meine Gedanken rasten und waren dennoch so klar wie schon lange nicht mehr.
    »Wie war er?«
    Felix’ Augen weiteten sich erstaunt, als ich leise zu lachen anfing.
    »Was ist daran so lustig?«, fragte er.
    Sollte ich ihm erklären, dass ich lachte, weil Marc mir genau dieselbe Frage gestellt hatte?
    Nein. Ich wollte nicht mit ihm über Marc reden. Das mit Marc war etwas, das nur mich etwas anging. Sonst niemanden.
    »Keine Ahnung. Vielleicht die Anspannung und so.«
    »Warum bist du
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