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Die Terranauten 071 - Der Jahrmillionen-Fluch

Die Terranauten 071 - Der Jahrmillionen-Fluch

Titel: Die Terranauten 071 - Der Jahrmillionen-Fluch
Autoren: Erno Fischer
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haben Sie zwei Todfeinde, die Sie vernichten müssen, um Ihr gefühlsmäßiges Gleichgewicht wieder ins Lot zu bringen: David terGorden und – mich!«
    Cantos verließ den Raum.
    Chan de Nouilles Gelächter begleitete jeden seiner Schritte.
    Sie lachte nicht hysterisch, überdreht oder erheitert. Ihr Gelächter war verletzender Triumph.
    Die Stimme von Cantos war lauter: »Es ist soweit, Chan de Nouille. Kommen Sie bitte!«
    Mit einem spöttischen Lächeln um die Lippen und inzwischen wieder angekleidet verließ sie den kahlen Raum.
    Hinter ihr verschwand er scheinbar im Nichts. Doch das interessierte sie nicht mehr.
     
    *
     
    Chan des Nouille betrat keinen Raum im üblichen Sinn: Es gab keine Wände, keinen Boden, keine Decke. Als würde sie direkt in den Weltraum marschieren. Chan fröstelte unwillkürlich, obwohl die gähnende Leere sie mit warmen und weichen Händen umschloß. Es gab einen unsichtbaren Boden unter ihren Füßen.
    Und es gab Cantos, nur wenige Schritte von ihr entfernt. Oder waren es Kilometer? Was bedeutete eine solche Entfernung angesichts der Unendlichkeit?
    Sie öffnete ihre Sinne für dieses Erlebnis. Tief sog sie die Luft in ihre Lungen. Dies und die Tatsache, daß sie noch immer Boden spürte und wußte, daß sie aufrecht stand, halfen ihr, den Anblick zu verarbeiten.
    Cantos beobachtete sie.
    »Das habe ich mir gedacht.«
    »Was haben Sie sich gedacht?«
    »Sie verarbeiten den für Ihre menschliche Seele zerstörerischen Anblick sehr gut.«
    »Vielleicht, weil meine Seele genausowenig menschlich ist wie die Ihrige?«
    Cantos sagte: »Ich habe es so erwartet, wie es ist. Die Zeit ist günstig, geradezu ideal.«
    »Wie weit sind wir von daheim entfernt?«
    »Fast eine Milliarde Lichtjahre!«
    Sie zuckte zusammen.
    »Eine Milliarde Lichtjahre?«
    Sie konnte es nicht glauben, weil ihr Verstand sich entschieden weigerte. Wie lange waren sie unterwegs gewesen? Was für ein verdammtes Schiff hatte dieser Cantos? War außer Karel Krystan jemals ein Mensch darauf gewesen?
    Verdammt, ich muß mich zusammennehmen!
    »Ja, Chan de Nouille. Es ist, nach irdischen Maßstäben gemessen, nicht viel Zeit vergangen.«
    »Wie schaffen Sie das? Es muß eine technische Möglichkeit geben, Cantos, wie unsere Kaiserkraft. Dieses Ultimatum … Warum hat man uns keine Alternative angeboten, sondern uns nur die Wahl gelassen, zugrunde zu gehen? Und wir werden aufhören, als Sternenrasse zu existieren, falls wir wirklich auf die Kaiserkraft verzichten sollten.«
    »Auch das dachte ich mir – daß diese Argumente aus Ihrem Mund kommen. Deshalb sind wir hier.«
    »Deshalb?«
    »Es gibt zwei Möglichkeiten im Leben eines intelligenten Wesens: entweder den Einklang mit der umgebenden Natur zu suchen oder den Versuch zu unternehmen, dieser Natur gänzlich zu entfliehen. Ich will es Ihnen anhand von Beispielen erklären, Chan de Nouille. Bitte fassen Sie es nicht als unverschämt oder schulmeisterlich auf. Das ist gewiß nicht meine Absicht. Wir treiben hier einen enormen Aufwand, um Ihnen die Zusammenhänge klarzumachen – weitab von der Erde und weitab von Ihrem Machtbereich, damit die bekannten Umstände Sie nicht so sehr beeinflussen können.«
    »Schießen Sie endlich los!« zischte Chan de Nouille. Ihr Gesicht war bleich. Immer wieder glitt ihr Blick von der hohen, muskelstrotzenden Gestalt des Außerirdischen ab und streifte die fernen Sternballungen. Manche erschienen so nah, daß sie glauben mußte, sie mit den ausgestreckten Armen erreichen zu können – wie leuchtender Staub.
    Die Weite des Universums ist unvorstellbar.
    Die Weite zwischen den Galaxien ist unvorstellbar.
    Die Weite zwischen den Sternen ist unvorstellbar.
    Die Entfernungen auf einem Planeten sind unvorstellbar.
    Weil der Mensch ein Winzling ist, der in seiner beschränkten Welt lebt wie die Ameise, die sich nicht vorstellen kann, daß es etwas geben könnte, das wichtiger als ihr Haufen und die Ernährung und Fortpflanzung innerhalb dieses Haufens wäre.
    Für die Ameise sind schon die Breite des Waldweges und die Höhe des Baumes, an den sich ihr Staat lehnt, unvorstellbar.
    So unvorstellbar wir für den Menschen die Welt!
    Die Stimme von Cantos schnitt wie ein Schwert durch ihre Gedanken und brachte sie in die Wirklichkeit zurück: »Wie ich sehe, haben Sie jetzt meine Absicht durchschaut. Ihr Verstand löst sich allmählich von den beschränkten Vorstellungen innerhalb des knapp bemessenen Wahrnehmungsbereiches eines menschlichen Wesens.
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