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Die Terranauten 070 - Das grüne Paradies

Die Terranauten 070 - Das grüne Paradies

Titel: Die Terranauten 070 - Das grüne Paradies
Autoren: Andreas Weiler
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betätigte den Auslöser.
    Ein lautes, explosionsartiges Zischen, und getragen von einem Treibsatz jagte das Seil mit dem dazugehörigen Verankerungspunkt über die Spalte hinweg. Sie prüfte einige Male, ob der Anker festen Halt gefunden hatte, und hangelte sich dann über den gähnenden Abgrund hinweg. Zu beiden Seifen der Gletscherspalte knirschten die Tausende von Tonnen schweren Eismassen. Die Spalte verbreiterte sich also noch. Vielleicht kalbte der Gletscher.
    Drüben angekommen, holte sie das Seil ein und setzte ihren Marsch fort. Stunden vergingen. Das Zwillingsgestirn neigte sich dem Horizont entgegen. Mehrmals mußte sie den Eindruck von schneidender Kälte aus sich verbannen. Sie vertrieb sich die Zeit damit, indem sie herauszufinden versuchte, welche Welt dies wirklich war. Sie hatte als Treiberin in der Loge, mit der Alarone und sie durch das All geflogen waren, mehrere Eisplaneten kennengelernt, aber das wollte nichts heißen. Möglicherweise war dieser öde Landstrich nicht kennzeichnend für den gesamten Planeten. Vielleicht war es nur die Polarregion. Vielleicht …
    Das, was sie für Eisblöcke gehalten hatte, die etwa hundert Meter voraus den Weg versperrten, bewegte sich. Sie kümmerte sich nicht darum und schritt weiter, ohne das Tempo zu verringern. Aus den Eisblöcken wurden hungrige, zähnestarrende Mäuler, die nach ihr schnappten. Sie kümmerte sich noch immer nicht darum, auch wenn das manchmal schwerfiel. Nur sie war existent. Alles andere war Illusion.
    Die merkwürdigen Schnee-Raubtiere blieben schließlich – irgendwann – hinter ihr zurück. Das Terrain wurde nun unebener und war zunehmend beschwerlicher zu beschreiten. Erste Zweifel entstanden in Duryea, ob sie Cheryl tatsächlich zu finden vermochte. Doch kaum wurde ihr der Zweifel bewußt, da konzentrierte sie ihre Mittlerbegabung darauf, ihn aus sich zu verbannen.
    Die Kälte aber war hartnäckig, und ihre eisigen Nadeln kratzten weiterhin an ihrer Haut. Sie mußte ständig auf der Hut sein. Hatte der Eindruck des Realen einmal Fuß gefaßt, war es schwer, ihn wieder aufzulösen.
    In einem Eisloch dicht an der Basis einer hochaufragenden Wand fand sie Cheryl LaRoche.
    Sie war steifgefroren. Der zierliche Körper der gut zwanzigjährigen Psychomechanikerin war mit einer zweiten Haut bedeckt, die weiß und kalt glitzerte. Cheryls Augen waren geschlossen, die Wimpern wie weißer Samt.
    Vorsichtig hob Duryea den nun spröden und zerbrechlichen Körper an.
    »Cheryl? Cheryl, hörst du mich? Du darfst dich nicht der Illusion hingeben …«
    Ihre Kollegin gab kein Lebenszeichen von sich. Ihre Lippen waren blau, die Haut unter der Eisschicht dunkel.
    Es hatte keinen Sinn. Cheryl war in der Illusionswelt fremder Gedanken gefangen. Sie fand allein keinen Weg mehr heraus. Duryea mußte sich dieser Illusion bis zu einem gewissen Grade anpassen, wenn sie Cheryl retten wollte. Und in dieser Anpassung lag die Gefahr. Sie erinnerte sich daran, einen mit Speicherenergie betriebenen Heizofen mitgebracht zu haben, stellte ihn in die Nähe Cheryls und schaltete ihn ein. Kurz darauf begann sich die weiße Schicht auf Cheryls wirklicher Haut zu verflüchtigen.
    Duryea ließ sich in dem Eisschnee nieder und begann vorsichtig und behutsam, eine zweite Gedankensonde in das Bewußtsein Cheryls zu schicken. Zuerst nahm sie gar nichts wahr, und ihre Befürchtung verstärkte sich, daß sie tatsächlich zu spät gekommen war. Dann vernahm sie ein fernes Wispern, und als sie ihre Bemühungen verstärkte, verspürte sie gnadenlose, beißende Kälte, die auch Cheryl empfand.
    Es ist keine Kälte, sandte Duryea aus. Es ist Wärme. Fühl sie nur … … Wärme … Wärme …
    Es war wie ein psychisches Echo.
    Der zweite Schritt: Dies ist alles nicht wirklich. Konzentriere dich. Die Wärme ist wirklich. Nur die Wärme. Die Liege, auf der dein wirklicher Körper ruht, ist real. Erinnerst du dich? Die Liege …
    … Liege …Liege …
    Duryea schlug die Augen auf. Es funktionierte! Eine nebelige Schicht hatte sich über die wilde, zerklüftete Landschaft aus geborstenen Eisschollen gelegt – die Zone des Nichtseins, die Transferregion. Sie verdoppelte ihre Bemühungen, und in dem Maße, in dem sie ihre Kraft auf Cheryl konzentrierte, um ihr aus dem Illusionsgefängnis herauszuhelfen, nahm die Kälte in ihr selbst zu.
    Erneut öffnete sie die Augen …
    …und blickte direkt auf eine in dicke Pelze gehüllte Gestalt, die in der Rechten ein Langschwert trug, dessen
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