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Die Teppichvölker: Roman (German Edition)

Die Teppichvölker: Roman (German Edition)

Titel: Die Teppichvölker: Roman (German Edition)
Autoren: Terry Pratchett
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Haarwald wanderte die Thunorg Culaina, ohne einen Fuß vor den anderen zu setzen. Sie wandelte von Zukunft zu Zukunft, und sie ähnelten sich alle.
    Niederlage. Das Ende des Reiches. Das Ende phantasieloser Leute, die glaubten, es gebe bessere Mittel und Wege als den Kampf. Bane – tot. Snibril – tot. Der Tod holte sie alle. Und sie starben umsonst.
    Culaina bewegte sich nun, ohne zu laufen. Schneller und immer schneller eilte sie durch die zahllosen Alternativen der Zukunft. Tausendfaches Vielleicht flog an ihr vorbei. Es handelte sich um Möglichkeiten, die noch keine endgültige Gestalt angenommen hatten, denen die Substanz der Realität fehlte. In ihnen siegten die Moule und zerstörten, was Hoffnung gab. Winzige Chancen genügten nicht, um die Situation zu verändern. Irgendwo und irgendwann mußten sich jene Ereignisse zutragen.
    Aber nicht hier und jetzt, beschloß Culaina.
    Und dann fand sie eine andere Zukunft. Nur eine einzige, stellte die Thunorg verblüfft fest. Normalerweise waren die verschiedenen Zukunftsformen in Bündel aus Hunderten von Alternativen unterteilt, die sich nur in winzigen Details voneinander unterschieden. Doch in diesem besonderen Fall stand die andere Zukunft ganz allein da. Eigentlich hatte sie gar kein Recht zu existieren. Sie repräsentierte den überaus unwahrscheinlichen Fall, daß die Verteidiger gewannen; sie symbolisierte eine Chance von eins zu einer Million.
    Fasziniert beobachtete Culaina die Einzelheiten. Ein seltsames Volk, die Dumii. Sie hielten sich für vernünftig, für so praktisch wie eine Schaufel. Doch in einer großen Welt voller Chaos, Dunkelheit und Phänomenen, von denen sie nicht einmal etwas ahnten, verhielten sie sich so, als glaubten sie an ihre kleinen Erfindungen wie ›Gesetz‹ und ›Gerechtigkeit‹. Sie hatten nicht genug Phantasie, um aufzugeben.
    Es war erstaunlich, daß es für sie überhaupt eine einzige Zukunftschance gab.
    Culaina lächelte.
    Und setzte den Weg fort, um sich die Sache aus der Nähe anzusehen.
    Man verändert Dinge, die man betrachtet …
    Die Moule zogen sich zurück, wenn auch nur mit der Absicht, sich neu zu gruppieren. Immerhin: Die Dumii konnten nicht fliehen; für sie gab es keinen Platz mehr, der Sicherheit bot. Snibril dachte an Jornarileesch. Wahrscheinlich stellt er sich vor, wie wir auf ihn warten und uns dabei das eigene Ende ausmalen.
    Glurk und Bane lehnten erschöpft an den Resten einer Mauer: Drei Dumii-Frauen leisteten ihnen Gesellschaft. Eine von ihnen hatte ein hübsches Gewand zerschnitten und benutzte einige Streifen, um Glurks Arm zu verbinden.
    »Wenigstens wird man von uns sagen, daß wir im Kampf gestorben sind«, brummte das Stammesoberhaupt der Munrungs. »Au!«
    »Halt still!« murrte die Frau.
    »Ich bezweifle, ob die Moule großes Interesse an Geschichte haben«, überlegte Bane laut. »Wenn sie den Sieg erringen, gibt es keine Bücher mehr. Und auch keine Geschichte. Woraus folgt: Niemand wird Zeit damit vergeuden, irgendwelche Geschichtsbücher zu schreiben.«
    »Das scheint mir besonders schlimm zu sein«, murmelte Snibril.
    »Entschuldigt bitte«, ließ sich eine der Frauen vernehmen. »Äh. Ich bin Lady Cerilin Vortex, die Witwe des verstorbenen Majors Vortex.«
    »Ich erinnere mich an ihn«, erwiderte Bane. »Ein ausgezeichneter Soldat.«
    »Nun, meiner Ansicht nach gibt es schlimmere Dinge als das Fehlen von Geschichtsbüchern«, sagte Lady Vortex. »Zum Beispiel den Tod. Die Geschichte kommt auch allein zurecht.«
    »Ich, äh, wir alle sind euch dankbar dafür, daß ihr uns ein wenig geholfen habt«, sagte Bane mühsam.
    »Wir haben euch nicht ›ein wenig geholfen‹«, entgegnete Lady Vortex scharf. »Wir haben Seite an Seite gekämpft .«
    Überall in den Ruinen von Wehr saßen Verteidiger in kleinen Gruppen und kümmerten sich um die Verwundeten. Zwei Ponen waren getötet worden – sie konnte man leicht zählen. Snibril dachte daran, daß er Brocando und Pismire schon seit einer ganzen Weile nicht mehr gesehen hatte.
    Bewegung kam in die Reihen des Feindes.
    Der Munrung seufzte. »Der nächste Angriff«, sagte er und stand auf.
    »Geschichte, wie?« Glurk nahm seinen Speer. »Noch einmal treten wir gegen den Feind an, um letzten Ruhm zu erwerben.«
    Lady Vortex griff nach einem Schwert, und in ihren Augen funkelte es zornig. »Es muß sich erst noch herausstellen, ob es wirklich der letzte Ruhm ist«, sagte sie in einem Tonfall, der in Snibril fast Mitgefühl für jene Moule
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