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Die Teppichvölker: Roman (German Edition)

Die Teppichvölker: Roman (German Edition)

Titel: Die Teppichvölker: Roman (German Edition)
Autoren: Terry Pratchett
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bestellte der Bürgermeister alle Stammesoberhäupter auf den Marktplatz, damit sie ihre Klagen und Beschwerden vorbringen konnten. Er nahm sie nie zum Anlaß, konkrete Maßnahmen zu ergreifen, aber wenigstens hörte er sich alles an und nickte verständnisvoll. Wodurch sich die Leute wesentlich besser fühlten, wenn sie heimkehrten. So etwas nennt man Politik.
    Auf diese Weise geschah es immer. Es war eine Tradition, die in grauer Vorzeit wurzelte.
    Am sechsten Tag machten sich die Gezählten auf den Rückweg und folgten dem Verlauf der Straßen, die von den Dumii konstruiert worden waren. Sie reisten nach Osten. Hinter ihnen führten die Straßen nach Westen bis nach Wehr, wo eine von ihnen Zugang zur Hauptstadt bot. Hinter Wehr gab es die Weststraße: Sie wurde immer schmaler und kurvenreicher und endete an einem fernen Außenposten namens Läufer.
    Daraus bestand das Dumii-Reich. Es umfaßte den größten Teil des Teppichs, von Holzwand bis zur Ödnis im Norden, in der Nähe von Firnisholm.
    Im Westen grenzte es ans Wildland und die letzten Fransen des Teppichs, und im Süden führten die Straßen bis zum Kaminland. Die für ihre bemalten Gesichter bekannten Bewohner von Täfelung, die kriegerischen Hibbolgs, selbst die Feuer verehrenden Stämme von Läufer – sie alle zollten dem Gebieter Tribut.
    Einige von ihnen mochten die Dumii nicht sonderlich, vor allem deshalb, weil der Gebieter die kleinen Kriege und gut organisierten Viehdiebstähle untersagte, die in den entlegenen Gebieten eine beliebte Freizeitbeschäftigung darstellten. Der Gebieter mochte den Frieden, unter anderem auch deshalb, weil seine Untertanen dadurch genug Zeit hatten, um zu arbeiten und ihre Steuern zu bezahlen. Im großen und ganzen schien der Frieden recht gut zu funktionieren.
    Die Munrungs zogen nach Osten, und für zehn Jahre verschwanden sie aus der Chronik des Reiches. Manchmal stritten sie sich, aber die meiste Zeit über lebten sie friedlich und vermieden übermäßige Kontakte mit der Geschichte, die dazu neigt, Leute umzubringen.
    Und dann, eines Jahres, hörte man nichts mehr von Tregon Marus …
    Der alte Grimm Orkson, Stammesoberhaupt der Munrungs, hatte zwei Söhne. Glurk war der ältere von ihnen und trat schließlich die Nachfolge seines Vaters an.
    Die Munrungs dachten langsam und besonnen, und ihrer Meinung nach gab es keinen besseren Kandidaten für den Posten des Anführers. Glurk sah wie eine jüngere Ausgabe seines Vaters aus: Er hatte breite Schultern, und der dicke Hals wirkte wie das Zentrum einer unwiderstehlichen Kraft. Er warf den Speer weiter als sonst jemand. Er war imstande, einen Snarg zu erwürgen – eine Halskette, an der lange gelbe Zähne baumelten, wies deutlich darauf hin. Er konnte: ein Pferd mit einer Hand hochheben; den ganzen Tag laufen, ohne zu ermüden; und sich so nahe an grasende Tiere heranschleichen, daß sie vor Schreck starben, bevor er die Gelegenheit erhielt, vom Speer Gebrauch zu machen. Zugegeben, er bewegte die Lippen, wenn er dachte, und seine Gedanken stießen wie Klöße in der Suppe aneinander, aber er war nicht dumm. Nein, er verdiente es nicht, als dumm bezeichnet zu werden. Sein Gehirn schaffte es, selbst komplizierte Dinge zu verstehen – es brauchte dazu nur etwas länger.
    »Er ist ein Mann von wenigen Worten, und er weiß nicht, was sie bedeuten«, sagte man von ihm. Aber nur dann, wenn er sich außer Hörweite befand.
    Eines Tages, am späten Nachmittag, stapfte er heimwärts und überquerte staubige Lichtungen. Unter dem linken Arm trug er einen Speer mit knöcherner Spitze, und mit der rechten Hand hielt er den langen Stock auf der Schulter fest.
    Ein Snarg mit zusammengebundenen Beinen hing daran. Snibril, Glurks jüngerer Bruder, stützte das andere Ende des Stocks.
    Der alte Orkson hatte früh geheiratet und lange gelebt, woraus folgte: Die breite, aus Jahren bestehende Lücke zwischen den beiden Brüdern war mit mehreren Töchtern gefüllt, und Grimm Orkson hatte dafür gesorgt, daß sie aufrechte, angesehene und vor allem begüterte Munrungs heirateten.
    Snibril war eher zierlich, vor allem im Vergleich mit seinem Bruder. Sein Vater hatte ihn zur Dumii-Schule in Tregon Marus geschickt, damit ein Schreiber aus ihm werde. »Er kann kaum einen Speer halten«, begründete Grimm seine Entscheidung. »Vielleicht kommt er mit einem Federkiel besser zurecht. Soll er etwas Gelehrsamkeit in die Familie bringen.«
    Als Snibril zum dritten Mal fortlief, beschloß Pismire,
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