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Die Teerose

Die Teerose

Titel: Die Teerose
Autoren: Jennifer Donnelly
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zusammenzuhalten, aber nicht so hoch gebracht, wie ich gehofft hatte. Es liegt zwar viel Arbeit vor uns, Stuart, dennoch haben wir die besten Ausgangsbedingungen. Wir besitzen sogar unsere eigene Plantage! Können Sie sich das vorstellen? Trotzdem müssen wir ganz von vorn anfangen. Alles liegt im argen. Ich hab mich gefragt … würde es Ihnen etwas ausmachen, ein bißchen länger hierzubleiben? Möglicherweise sogar eine ganze Weile? Sie bekämen natürlich eine zusätzliche Entschädigung dafür. Und einen neuen Titel. Präsident von TasTea, London. Außerdem ein höheres Gehalt.«
    »Ausmachen? Fiona, gleich nachdem ich das Telegramm erhalten hatte, hab ich gehofft, Sie würden mich bitten, das neue Unternehmen zu leiten. Ich vermisse das gute alte England ganz fürchterlich. Wahrscheinlich werde ich sentimental auf meine alten Tage. Ich hab fast geweint, als ich aus dem Zug ausstieg. Ich würde schrecklich gern wieder nach Hause kommen.«
    »O Stuart, das ist ja wundervoll. Das trifft sich ganz herrlich! Ich bin so froh!«
    »Und was ist mit Ihnen? Macht es Ihnen nichts aus, London zu verlassen?«
    »Ich werde meinen Onkel Roddy und meine Schwiegerfamilie vermissen, aber mir fehlt der Rest meiner Familie so sehr. Ich kann es gar nicht erwarten, Seamie und Mary und die Kinder wiederzusehen.« Sie lächelte schelmisch. »Sogar Michael.« Und sie vermißte sie tatsächlich ganz schrecklich. Als sie damals im Juli weggefahren war, hatte sie höchstens einen Monat fortbleiben wollen. Jetzt war es fast Oktober. Auch TasTea fehlte ihr. Stuart hatte zwar in ihrer Abwesenheit alles ganz wunderbar geregelt, aber sie wollte ihr Lagerhaus wiedersehen, ihre Frachtzüge und Waggons.
    »Was ist mit Ihrem Mann? Wird es ihm nichts ausmachen, wenn Sie nach New York gehen?«
    »Oh, den lasse ich nicht zurück!« antwortete sie lachend. »Er kommt mit mir. Wir wollen versuchen, drei Monate in New York, dann drei in London, dann wieder drei Monate in New York zu leben und sehen, wie es funktioniert.« Sie blieb stehen und deutete auf ein rotes Backsteingebäude vor ihnen. »Da wären wir«, sagte sie. »Das ist Oliver’s, das Lagerhaus.«
    »Verdammt! Das ist ja riesig!« rief Stuart aus und beugte sich zurück, um besser zu sehen.
    Auch Fiona sah hinauf und freute sich, daß die Arbeiten schnell vorangingen. Oliver’s machte wieder einen stolzen Eindruck. Die schwarzen Rußflecken an der Außenseite waren entfernt, die eingestürzten Mauern aufgebaut, die Fenster und Lukentüren ersetzt worden. Alle Stützpfeiler und Balken waren erneuert worden, und die Bauarbeiter legten gerade neue Böden. Auch der Tee lagerte bereits wieder darin. Assam-Tee, den sie für TasTea, London, bestellt hatte, die neue Mischung, die zu seinem Markenzeichen werden sollte, wartete bereits in Kisten im ersten Stock. Während sie zusah, wie die Arbeiter mittels einer Winde Dielenbretter in den dritten Stock beförderten, spürte sie eine frische Brise vom Fluß.
    »Lassen Sie uns reingehen«, sagte Stuart.
    »Gehen Sie voraus, und sehen Sie sich alles an. Ich komm gleich nach.«
    Er ging hinein, und sie machte sich in Richtung der Old Stairs auf – der neuen Old Stairs –, um ein wenig am Wasser zu sitzen. Sie mußte ihren geliebten Fluß sehen, um sich zu sammeln und die heftigen Gefühle zu beruhigen, die die Erinnerung an die Nacht des Lagerhausbrands in ihr ausgelöst hatten. Wie immer ließ sie sich auf der Hälfte der Treppe nieder.
    Eine Weile beobachtete sie die Möwen und sah einen Gassenjungen nach Schätzen graben. Als sie es über sich brachte, sah sie übers Wasser zu Cole’s Wharf hinüber, einem grob verputzten Lagerhaus auf der südlichen Seite des Flusses, den letzten Ort, an dem sie ihren Bruder gesehen hatte.
    Tränen traten ihr in die Augen, wie immer, wenn sie sich daran erinnerte, wie sie seine Stimme gehört, sein Gesicht gesehen und dann seine starken Arme um sich gespürt hatte. Sie hatte geweint und geweint und konnte gar nicht mehr aufhören damit, so aufgelöst war sie gewesen vor Aufregung und Erschöpfung, vor Schmerzen und vor Angst, die sie ausgestanden hatte, und schließlich vor Freude.
    Während der Bootsfahrt hatte ihr Charlie erzählt, daß er in den Zeitungen alles über sie gelesen habe, auch von ihrer Übernahme von Burtons Firma. Wie geschockt, wie wütend und wie traurig er gewesen sei, als er erfahren habe, daß Burton ihren Vater ermordet hatte, aber wie glücklich, daß sie gesund und am Leben war. Er habe
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