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Die Täuschung

Die Täuschung

Titel: Die Täuschung
Autoren: Caleb Carr
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bizarren, unentdeckten Informationen gab; und mit solch beunruhigenden Gedanken im Kopf driftete ich in den Schlaf.
    Etliche Stunden später wurde ich vom Geräusch meines Staubsaugers geweckt, der aus dem Dielenschrank geschossen kam und einer Reihe elektronischer Sensoren unter dem Teppich folgte, um sein Reinigungsprogramm auszuführen. Derlei Dinge passierten in letzter Zeit mit zunehmender Häufigkeit: Da sich meine Fähigkeiten als Hausmann in Grenzen hielten, hatte ich einen hübschen Batzen Geld für eine dieser »Smart Apartment«-Anlagen ausgegeben, nur um in den folgenden Wochen mit ansehen zu müssen, wie sie durchdrehte und zu jeder Tages- und Nachtzeit sauber machte, Kaffee kochte, die Beleuchtung richtig einstellte und weiß Gott was noch alles tat, im Allgemeinen mit verblüffender Ineffizienz.
    Ich verfluchte das Genie, das Mikrochips auf die Größe von Molekülen geschrumpft und damit solche angeblich »klugen« Systeme ermöglicht hatte, und begann mit schlaftrunkenen Schritten, den Staubsauger durch das Loft zu verfolgen. Ich hatte das Ding gerade in die Ecke getrieben und abgeschaltet, als das Telefon klingelte. Ich schaffte es gerade noch, den Hörer abzunehmen, ehe mein Auftragsdienst, der fast ebenso brillant war wie mein Staubsauger, den Anruf auf mein drahtloses Telefon umleiten konnte.
    Als ich mich meldete, hörte ich wieder einmal Max’ Stimme: »Komm her – ich hab die Verschlüsselung geknackt, und da ist auch noch ’n ganzer Haufen anderer Sachen. Mein lieber Mann, Gideon, die Sache wird langsam unheimlich.«

5
    E ine weitere unerfreuliche Taxifahrt später war ich wieder bei Max. Er schaltete gerade die verschiedenen Systeme ein, mit denen er mögliche Abhörvorrichtungen störte oder auf andere Weise an der Erfüllung ihrer Aufgabe hinderte. Anschließend führte er mich zu einem Haufen Geräte zur Sequenzierung und Identifizierung von DNA, die in der Nähe eines Fensters standen, von dem aus man einen schönen Blick auf den Fluss hatte.
    »In der Ziegelwand am Tatort hab ich ein paar Haare gefunden«, erklärte Max mit einer Geste zu den summenden Apparaten. »Ich hab sie übers Außenterminal untersuchen lassen, noch während wir dort waren, aber was dabei rauskam, schien mir keinen Sinn zu ergeben, deshalb wollte ich’s noch mal mit dem großen Gerät probieren. Dasselbe Resultat. Ein paar von den Proben gehören John Price, aber die anderen? Die anderen passen zu einem Kerl, der im Gefängnis sitzt.«
    »Im Gefängnis? Wie kommen sie dann …«
    »Stell mir noch keine Fragen, Gideon, sonst stehen wir morgen früh noch hier. Also, während ich rauszukriegen versuche, wie jemand, der im Knast sitzt, unseren Jungen kaltmachen konnte, finde ich diese Dinger.« Er ließ ein paar Metallkügelchen von der Größe von Mäuseköteln in meine Hand fallen. »Hast du ’ne Ahnung, was das ist?«
    »Nein«, antwortete ich begriffsstutzig.
    »Hatte ich auch nicht, bis ich sie nach Flecken untersucht habe. Prices Blut war dran.« Max holte tief Luft. »Du weißt ja, in welcher Verfassung sein Körper war.«
    Ich nickte. »Mehr oder weniger in seine Bestandteile aufgelöst, haben die Cops gesagt.«
    »Von denen hier«, fuhr Max fort, nahm eins der Kügelchen und musterte es. »Kannst du dir vorstellen, wie schnell die fliegen müssten, um den Körper eines Menschen so zuzurichten?«
    » Könnten sie den Körper eines Menschen denn so zurichten?«
    »Klar. Theoretisch. Wenn ich ein Bleiklümpchen nach dir werfe, bringt dich das nicht um. Wenn ich’s aber aus einer Waffe abschieße, ist das was ganz anderes. Und eine Garbe von diesen Dingern mit ausreichend hoher Geschwindigkeit, ja, dann würde sich dein Körper fast in Luft auflösen. Aber die Geschwindigkeit müsste höllisch hoch sein. Und niemand hat Schüsse gehört, nicht mal der Türsteher. Behauptet er jedenfalls.«
    »Was könnte dann …?«
    »Wie gesagt, Gideon – warte noch mit den Fragen. Also …« Er ging zielstrebig zu seinen Computern zurück. »Es hat eine Weile gedauert, aber schließlich habe ich Prices Verschlüsselung des zweiten Datensatzes auf der Disk geknackt – obwohl ich nicht kapiere, weshalb er sich solche Mühe gegeben hat, das hier zu verstecken.«
    Mit einer Eingabe über ein Tastenfeld rief Max ein Bild auf seinem Hauptmonitor auf: ein altes Stück körnigen Films, der offenbar – oder, wie ich bald erkannte, tatsächlich – einen kurzen Einblick in ein deutsches Konzentrationslager Mitte des
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