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Die Sünderinnen (German Edition)

Die Sünderinnen (German Edition)

Titel: Die Sünderinnen (German Edition)
Autoren: Irene Scharenberg
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kleinen Enttäuschungen mit einem Zug durch die Getränkekarte weggeschwemmt, bis zu dem blutigen Erlebnis, das ihn völlig aus der Bahn geworfen hatte und dessen Erinnerung sich nicht einfach hinunterspülen ließ.
    Während er auf den Finkenkrug zusteuerte, dachte er an seine Eltern, die seinem Studium sehr skeptisch gegenübergestanden hatten. »Mensch Kind, jetzt machst du immer noch nichts Anständiges«, hatte die Mutter seinen Wechsel von der Theologie zur Psychologie kommentiert. Sein Vater, ein bodenständiger, einfacher Arbeiter bei der August Thyssen Hütte, hatte ihr beigepflichtet. Für beide Elternteile hätte ein Diplomingenieur Richtung Hüttentechnik genau das Spektrum aller anständigen Berufe abgedeckt, die für ihren Sohn in Frage kamen.
    Als Mark Milton nun das Lokal betrat, drang ihm Musik aus den achtziger Jahren entgegen. Die Klänge passten zu seinen Erinnerungen. Zielstrebig schlängelte er sich an dem ewig alten Mobiliar vorbei bis zu einer kleinen Treppe. Die wenigen Stufen führten zu einer Empore hinauf, auf der gerade einmal vier, maximal fünf Tische Platz hatten. An einem saß Daniel Berger und grinste ihm entgegen.
    Mark erkannte seinen Freund sofort, blonder Wuschelkopf, Dreitagebart, etwas dicker als er und wie immer das spöttische Grinsen auf den Lippen, das bei Frauen sehr gut anzukommen schien. Daniel wusste diese Tatsache durchaus zu nutzen. Seit seine letzte feste Freundin ihn nach unendlichen Querelen, trotzdem unerwartet, vor die Türe gesetzt hatte, glaubte er eher an das schnelle beglückende Abenteuer als an akzeptable Haltbarkeitsdaten für Beziehungen.
    »Haben dich die Patienten endlich losgelassen?«, scherzte Daniel, nachdem Mark sich mit einem lauten Seufzen neben ihn gesetzt hatte.
    »Nicht jeder kann die Selbsttherapie zum Beruf erheben«, konterte Mark.
    »Wenigstens mache ich Fortschritte. Brauchst dich nur umzusehen.«
    Tatsächlich, an den Wänden hingen einige Aquarelle mit unverwechselbaren Farbkompositionen, die nur von Daniels Pinsel stammen konnten. Schon seit einigen Jahren gab der Finkenkrug mehr oder weniger bekannten Künstlern Gelegenheit, ihre Werke im Gastraum zu präsentieren.
    »Deine neuen Bilder gefallen mir«, sagte Mark anerkennend, »besonders das mit der hellgelben Heidelandschaft.«
    Farbliche Verfremdung gehörte zu Daniels Markenzeichen.
    »Wie lange wird die Ausstellung dauern?«
    »Bis der nächste Maler hier nach dem großen Durchbruch sucht.«
    Ein recht junger Kellner, den sie nicht mehr aus der Zeit kannten, als sie beide noch hier ausgeholfen hatten, brachte das bestellte Bier.
    »Auf die gelungenen Bilder«, prostete Mark Daniel zu.
    Marks Gedanken schweiften ab. Während er sein Glas erhob, dachte er zuerst an Susanne, dann an Lea. Beide würden heute nicht auf ihn warten. Lea würde nie mehr auf ihn warten.
    »Siehst irgendwie zerknittert aus«, stellte Daniel fest. »Wieder Probleme mit Susanne?«
    »Das auch, aber es kommt noch schlimmer. Die Kripo war bei mir.«
    »Was hast du denn angestellt?«, fragte Daniel nun besorgt.
    Hastig trank Mark von seinem Bier. »Es geht um Barbara Winkler. Sie ist ermordet worden. Der Täter hat mehrmals auf sie eingestochen.«
    Schweigend starrte Daniel ihn an. »Das ist nicht wahr, das kann nicht wahr sein«, erwiderte er schließlich. »Ich habe sie doch vor einigen Tagen noch gesehen. In ihrer Galerie in Düsseldorf. Sie hat versprochen, mir weitere Bilder abzunehmen. Wollte mich echt groß rausbringen.«
    »Tut mir leid. Auch für dich.«
    »Sie wollte mit ihrem Freund ein neues Leben beginnen«, erklärte ihm Daniel sichtlich erschüttert. »Meinst du, ihr Mann war es? Aus Eifersucht?«
    »Eifersucht ist immer ein starkes Motiv, aber natürlich kann der Mörder auch einen ganz anderen Grund gehabt haben.«
    Am Nachbartisch klirrten die Gläser. Junge Leute, wahrscheinlich Studenten, von denen einer eine Klausur oder gar Prüfung bestanden hatte. Nachdenklich betrachtete Mark Milton die ausgelassene Freude in ihren Gesichtern. In diesem Moment sehnte er sich nach der unbekümmerten Studentenzeit zurück. Vielleicht hätte er nach dem Willen seiner Eltern doch weiter Theologie oder besser Hüttentechnik studiert, dann wäre ihm Lea nie begegnet, dann …
    »Wieso hat die Polizei dich denn verhört?«, riss Daniel ihn aus seinen Gedanken.
    »Verhört ist vielleicht übertrieben«, antwortete Mark erregt. »Der Kriminalkommissar hat mich gefragt, warum Frau Winkler in meine Praxis gekommen
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