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Die Suche nach dem Wind

Die Suche nach dem Wind

Titel: Die Suche nach dem Wind
Autoren: Liane Sons
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bringen, damit der Rhanlord über die Mutter Oberin triumphieren konnte. Hätte er es ihr genau so gesagt, hätte sie den Auftrag auch angenommen. Weil sie von den Reichen und Mächtigen stets von oben herab behandelt wurde, bereitete es ihr großes Vergnügen, einen von ihnen zu Fall zu bringen, um zur Abwechslung einmal auf ihn hinabsehen zu können. Oberste Botin ... das war weit mehr, als sie sich jemals erträumt hatte. Welche Geheimnisse es auf der Erde auch immer gab: Sie würde sie ans Licht bringen.

    In Waldsee ging das Leben seinen gewohnten Gang, sah man einmal von dem Missgeschick ab, dass Erik aus den Hühnern, die für die Frühstückseier zuständig waren, fast Brathähnchen gemacht hätte. Er hatte seinen Freunden im Park vorführen wollen, dass er nunmehr den Feuerzauber beherrschte. Sie hatten trockne Äste zusammengetragen, und Erik hatte ihnen ein verfrühtes Osterfeuer versprochen. Nicht ein Fünkchen war im Reisig erschienen. Besonders ärgerlich war, dass Ralf sich dazugesellt hatte und kräftig lästerte. Erik hatte sich konzentriert, bis er nur noch die Äste sah, als Pförtner Möbius die Hühner in den Stall trieb, und die laut gackerten. Sekundenschnell hatte der Stall lichterloh gebrannt. Annas Wasserzauber hatte nicht nur den Brand gelöscht, sondern das Federvieh im Schwall in den Park gespült. Sie hatten lange gebraucht, alle wieder einzufangen. Möbius hatte sie nur vorwurfsvoll angesehen, weil die Hühner, braun vom Matsch, jetzt in einer Garage ohne Stroh nächtigen mussten, und Frau Meise hatte die verdreckten Jungen erst auf dringende Intervention des Ringlords ins Haus gelassen. Ralf, der sich natürlich nicht an der Einfangaktion beteiligt hatte, hatte als Einziger richtig Spaß gehabt.
    Erik vergaß die Sache schnell, weil Aeneas nur darüber lachte und ihm einen Brief von Leona gab, in dem sie ihr Verhalten erklärte und ihm versicherte, dass sie ihn liebe wie einen Bruder. Nach Ihren Angaben verlief das Verfahren gegen sie fair, und alle rechneten mit einem baldigen Freispruch. Wie der Brief in Aeneas’ Hände gekommen war, erfuhr Erik nicht. Der Ringlord sprach nur geheimnisvoll von einem etwas seltsamen Freund.
    Aeneas hatte ihm auch eine Akte zusammengestellt, die alles enthielt, was er bisher über seinen Vater, Duncan van Gandar, herausgefunden hatte.
    Beim Anblick eines Fotos seines Vaters fühlte er regelmäßig ein Gemisch aus Wehmut und Freude. Er konnte sich vorstellen, in vielen Jahren auch mal so auszusehen, und er hoffte und betete, dass Aeneas herausfand, was damals geschehen war.
    Für ihn ergab das, was er wusste, überhaupt keinen Sinn. Bote Marcks konnte mit dem Verschwinden seines Vaters nichts zu tun gehabt haben, war der doch davon ausgegangen, ihn getötet zu haben. Er musste also während des Brandes verschwunden sein, vermutlich mittels eines Reisezaubers. Zwei Fragen drängten sich ihm auf: Hatte er seine Landsleute einfach im Feuer sterben lassen und war allein geflohen? Was hielt einen Großmagier davon ab, zurückzukehren? Diese Fragen beschäftigten ihn jeden Abend vor dem Einschlafen. Er träumte jetzt oft von seiner Mutter, die mit ihm im Garten Ball spielte und lachte. Hin und wieder sah er jedoch auch seinen Vater, der auf den Reiseraum zueilte, während um ihn herum Leute starben.
    Tagsüber beschäftigte er sich mit Zauberübungen. Immer wieder suchte er den Übungsraum auf und versuchte sich an Feuerzaubern. Er hatte Bote Marcks fast eingeäschert und einen Stall verbrannt, jetzt gelang es ihm nicht mehr, eine Kerze zu entzünden.
    Als er sich darüber bei Aeneas beklagte hatte, hatte der nur gelacht und erklärt: »Es funktioniert nicht, weil du noch nicht so weit bist. Ich vergleich es mal mit dem Laufen. Bevor du einen Marathon bestreiten kannst und das auch in einer passablen Zeit, musst du sehr viel trainieren. Einfach mal so geht das nicht. Befindest du dich hingegen auf der Flucht, sorgt deine Angst dafür, dass du plötzlich schneller und weiter laufen kannst als je zuvor. So war es bei Marcks, so ist es auch, wenn du dich erschrickst. Da wir dich nicht permanent in Lebensgefahr bringen oder erschrecken können, damit du Zauber zustande bringst, wirst du jetzt schlicht und einfach üben müssen. Du bist gerade mal einen Monat hier, und der war recht aufregend. Gib dir etwas Zeit!«
    Also übte Erik weiterhin, sich zu konzentrieren, wenn er nicht gerade mit seinen neuen Freunden zusammen war, die ihm regelmäßig Trost spendeten,
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