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Die Sturmrufer

Die Sturmrufer

Titel: Die Sturmrufer
Autoren: blazon
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aber wollte sie etwas antworten, doch sie entschied, dass sie erst den restlichen Sand aus ihrer Kehle husten sollte.
    »Warum hast du nichts gesagt?«, fragte Sabin. »Du hättest tot sein können, Amber. Tot!«
    »Ihr hättet mich… niemals mitgenommen, wenn ich… es gesagt hätte«, krächzte Amber. Sabin schniefte und strich Amber behutsam die Strähnen aus der Stirn. »Tanijen… ist tot«, sagte sie mit erstickter Stimme. Amber nickte nur wie betäubt. Wellen schlugen gegen den Stein, ganz in der Nähe strich ein Hai vorbei.
    »Du hast eine Risswunde an deinem Knöchel, aber es ist nicht schlimm«, sagte Sabin kaum hörbar. »Es kommt alles wieder in Ordnung. Deine Wunde wird verheilen, du wirst sehen.«
    Plötzlich umarmte sie Amber und hielt sie so fest, als wäre sie Satu oder Tanijen. Ihre unregelmäßigen Perlen strichen über Ambers Schulter. Amber konnte spüren, wie die Taucherin schluchzte. Obwohl es ihr selbst die Kehle zuschnürte, richtete sie sich auf und erwiderte Sabins Umarmung.

Entscheidungen
     
    D iese Sommernacht war erstaunlich kühl. Sie waren auf dem Felsen eng zusammengerückt. In stummem Einverständnis hatten Inu und Amber Sabin in ihre Mitte genommen. Die Taucherin weinte lautlos, nur am Beben ihrer Schultern spürte Amber, dass sie sich überhaupt regte. Niedergeschlagen betrachtete sie das Glitzern der dunklen Wellen. Die Ebbe hatte das Wasser noch tiefer absinken lassen, es gluckste und sprudelte und Amber hätte jeden Eid geschworen, dass das Meer sie auslachte. Sie fragte sich, ob es für Sabin ein Trost war, dass Tanijen im Wasser gestorben war. Es tat weh, an ihn zu denken.
    Als hätte Sabin ihren Gedanken gespürt, machte sie sich behutsam aus der Umarmung los und stand auf. Gegen den Nachthimmel konnte Amber ihre Silhouette sehen. Dort, wo Amber sie im Burghof gepackt hatte, hing das Gewand aus Fischhaut in Fetzen von ihrem Rücken. Irgendwo in der Nähe ertönte ein Platschen, das Amber sofort an dornige Schwanzflossen und dolchbewehrte Mäuler denken ließ. Doch Sabin lauschte dem Meer, stieß sich vom Felsen ab, schnellte durch die Luft und tauchte ein.
    »Lass sie«, sagte Inu mit heiserer Stimme und legte Amber die Hand auf den Unterarm. »Das Meer ist ihr Zufluchtsort.«
    Amber fröstelte. Ein Zufluchtsort voller Haie!
    In der Dunkelheit konnte sie Inus Profil erkennen und das Glänzen eines Auges erahnen. Er sah sie an, und Amber rückte näher und ließ es zu, dass er den Arm um sie legte und sie zu sich heranzog. Es fühlte sich richtig und selbstverständlich an und Amber wollte sich nicht vorstellen, was sie empfunden hätte, wäre Inu in dem Tümpel versunken. Gleichzeitig schämte sie sich unendlich für diesen Gedanken. Eine Weile hielten sie sich umschlungen auf der winzigen steinernen Insel, die ihr letzter Zufluchtsort geworden war. Dann schließlich löste sich Amber aus seinen Armen. Ihre Stimme kratzte in ihrer Kehle, als sie ihm endlich die Frage stellte, die sie schon die ganze Zeit beschäftigte:
    »Seit wann wusstest du, dass Tanijen ein Magier ist?«
    Inu zuckte zusammen. »Es hat keinen Sinn, dir etwas vormachen zu wollen, nicht wahr?«, antwortete er kaum hörbar. »Geahnt hatte ich es schon lange, bevor er zu den Navigatoren ging. Er bemerkte es selbst nicht, aber wenn er einen Knoten entwirrte, dann kam ihm etwas zu Hilfe. Er setzte die Dinge in Bewegung. Deshalb fiel ihm vieles scheinbar so leicht. Es hieß, er sei geschickt, dabei war er nur jemand, der etwas anderes besaß als wir. Ich wusste, er würde nie sein ganzes Leben nur Seile flechten so… wie ich.«
    »Warum hat er dich nicht ins Vertrauen gezogen? Warum hast du ihn vor Sabin bloßgestellt? Du wusstest, dass sie ihm nicht verzeihen würde. So handelt kein Freund! Und was ist mit dem Gerede über Zusammengehörigkeit? Ihr wolltet mir beibringen, was es heißt, nicht allein zu sein und für den anderen einzustehen. Aber dafür müsstest du selbst erst lernen, was das bedeutet. Warum hast du ihn so gehasst, Inu?«
    Ein Schniefen antwortete ihr. Lange sagte der Seiler nichts und nach und nach verebbte ihre Wut und wurde zu Erschöpfung. Wer bin ich, jemandem Vorwürfe zu machen?, dachte sie.
    »Ich habe ihn nicht gehasst«, sagte er plötzlich. »Niemals. Aber ich war wütend, weil er… recht hatte. Hätte er mir gesagt, dass er zu den Magiern gegangen ist, hätte ich wirklich zu ihm gehalten? Hätte ich ihm eine Möglichkeit gegeben, sich zu rechtfertigen? Oder hätte ich weiter
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