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Die Sturmfluten des Frühlings

Die Sturmfluten des Frühlings

Titel: Die Sturmfluten des Frühlings
Autoren: Ernest Hemingway
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Junge, immer sachte. Paß auf, daß du diesmal eine gute kriegst.»
    «Henry kann ein Lied davon singen. Der weiß, wovon er spricht.» Er lachte ein hohes, schepperndes Lachen. Mr. Shaw, der alte Pumpenmacher, wurde rot.
    «Ihr Jungens, macht mal, daß ihr abzieht und laßt uns mit unserer Pumpenmacherei weiterkommen», sagte er. «Henry und ich hier, wir haben eine Masse Arbeit vor uns.»
    «Freut mich sehr, Sie kennengelernt zu haben», sagte Scripps.
    «Los, komm», sagte Yogi. «Ich laß dich lieber anfangen. Sonst gibt mir der Werkmeister eins aufs Dach.»
    Er stellte Scripps im Kolbenberingungssaal an, Kolben mit Ringen zu versehen. Dort arbeitete Scripps beinah ein Jahr lang. In gewisser Beziehung war es das glücklichste Jahr seines Lebens. In anderer Beziehung war es ein Alpdruck. Ein widerwärtiger Alpdruck. Schließlich gefiel es ihm ganz gut. In anderer Beziehung war es ihm zuwider. Ehe er sich’s versah war ein Jahr um. Er versah immer noch Kolben mit Ringen. Aber was für seltsame Dinge waren in diesem Jahr geschehen. Oft wunderte er sich darüber. Während er sich wunderte, und jetzt beinah automatisch einen Kolben beringte, lauschte er auf das Lachen, das von unten heraufklang, wo die kleinen Indianerjungen das formten, was später Rasierklingen sein würden. Wie er so lauschte, stieg ihm etwas in die Kehle, und er erstickte beinahe.

2
    An jenem Abend, nach dem ersten Tag in der Pumpenfabrik, dem ersten Tag von dem, was eine endlose Folge von Tagen stumpfsinnigen Kolbenberingens war oder werden sollte, ging Scripps wieder in die Bohnenstube zum Essen. Den ganzen Tag über hatte er seinen Vogel verborgen gehalten. Irgend etwas sagte ihm, daß die Pumpenfabrik nicht der Ort sei, um seinen Vogel zum Vorschein zu bringen. Tagsüber hatte ihn der Vogel mehrere Male belästigt, aber er hatte seine Kleidung dem angepaßt und sogar einen kleinen Schlitz geschnitten, durch den der Vogel seinen Schnabel herausstecken konnte, um frische Luft zu schöpfen. Jetzt war des Tages Arbeit vorbei. Er war fertig. Scripps unterwegs zur Bohnenstube. Scripps glücklich, daß er mit seinen Händen arbeitete. Scripps in Gedanken an die alten Pumpenmacher. Scripps auf dem Weg, um die Gesellschaft der freundlichen Kellnerin aufzusuchen. Wer war denn diese Kellnerin überhaupt? Was war nur damals in Paris geschehen? Er mußte mehr über dies Paris erfahren. Yogi Johnson war dort gewesen. Er würde Yogi ausquetschen. Ihn zum Reden bringen. Ihn ausfragen. Ihn veranlassen, alles, was er wußte, zu erzählen. Darauf verstand er sich, und wie.
    Während er die Sonne jenseits des Hafens von Petoskey untergehen sah, über dem jetzt zugefrorenen See, wo sich über dem Wellenbrecher große Eisblöcke auftürmten, schritt Scripps die Straßen von Petoskey entlang zur Bohnenstube. Er hätte Yogi Johnson gern aufgefordert, mit ihm zu essen, aber er wagte es nicht. Noch nicht. Das würde schon noch kommen. Alles zu seiner Zeit. Bei einem Mann wie Yogi durfte man die Dinge nicht überstürzen. Wer war dieser Yogi überhaupt? War er wirklich im Krieg gewesen? Was hatte der Krieg für ihn bedeutet? War er wirklich der erste Mann aus Cadillac, der zum Militär einrückte? Wo war Cadillac überhaupt? Die Zeit würde es zeigen.
    Scripps O’Neil öffnete die Tür und ging in die Bohnenstube. Die ältliche Kellnerin erhob sich von dem Stuhl, auf dem sie die Oberseeausgabe des Manchester Guardian gelesen hatte, und legte die Zeitung und die stahlumränderte Brille oben auf die Registrierkasse.
    «Guten Abend», sagte sie schlicht. «Wie schön, daß Sie wieder da sind.»
    Etwas rührte sich in Scripps O’Neil. Ein Gefühl, das er nicht näher beschreiben konnte, durchdrang ihn.
    «Ich habe den ganzen Tag über gearbeitet – » er blickte die ältliche Kellnerin an – «für Sie», fügte er hinzu.
    «Wie wunderbar», sagte sie. Und lächelte dann schüchtern. «Und ich habe auch den ganzen Tag über gearbeitet – für Sie.»
    Seine Augen füllten sich mit Tränen. Wieder rührte sich etwas in ihm. Er streckte seine Hand aus, um die der ältlichen Kellnerin zu ergreifen, und mit ruhiger Würde legte sie sie in seine. «Du bist meine Frau», sagte er. Und auch ihre Augen füllten sich mit Tränen.
    «Du bist mein Mann», sagte sie.
    «Ich sage es noch einmal. Du bist meine Frau.» Scripps sprach die Worte feierlich aus. Wieder war etwas in ihm gesprungen. Er spürte es. Er konnte die Tränen nicht zurückhalten.
    «Dies soll unsere Trauung
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