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Die Stunde des Fremden

Titel: Die Stunde des Fremden
Autoren: West Morris L.
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schnell fahren würde. Man stieß Garofano unter die Räder unseres Wagens und machte uns so zu unschuldigen Werkzeugen eines Mordes.«
    Granforte blieb unbeeindruckt.
    »Wen meinen Sie mit – man –;« fragte er trocken.
    »Orgagna als Organisator, Carlo Carrese als Leiter der Aktion und zwei oder drei Bauern als ausführende Organe.«
    Inspektor Granforte lächelte ironisch.
    »Eine höchst dramatische Geschichte. Sehr gekonnt, Herr Ashley. Ich bin bloß gespannt, wie Sie das alles beweisen wollen?«
    »Fragen Sie zuerst Roberto und versuchen Sie, aus ihm herauszubringen, welche Bewandtnis es mit dem Anruf aus der Villa Orgagna und dem Mann hat, der ihm zehntausend Lire zahlte.«
    »Das wird geschehen. Und weiter?«
    »Fragen Sie Herrn Harlequin. Er wird Ihnen bestätigen, daß ich die Photokopien im Hotel noch nicht hatte und daß ich nicht wußte, wo sie sich befanden.«
    »Herr Harlequin?«
    George Harlequin schüttelte bedauernd den Kopf.
    »Tut mir leid, Ihnen nicht helfen zu können«, sagte er. »Ich weiß nur, daß Sie mir sagten, Sie hätten die Kopien nicht und wüssten nicht, wo sie seien. Aber das beweist nichts, nicht wahr?«
    »Und weiter, Herr Ashley?«
    »Fragen Sie Elena Carrese. Sie wird Ihnen erzählen, wie sie zu den Kopien kam. Vielleicht erzählt sie Ihnen auch, warum sie dazu kam. Aber das würde ich ihr nicht raten.« Er warf ihr einen warnenden Blick zu. »Sie wird Ihnen erzählen, daß ihr Vater sie gestern geschlagen hat und daß sie die Dokumente nachts unter meiner Schlafzimmertür durchschob.«
    »Was haben Sie dazu zu sagen, Signorina?«
    »Jedes Wort ist erlogen«, antwortete sie, ohne zu zögern. »Ich habe meinen Bruder seit meiner Abfahrt nach Rom nicht gesehen. Alles, was ich über Dokumente weiß, habe ich hier von Seiner Hoheit gehört. Dieser Mann versuchte gestern mit mir anzubändeln, und als ich mich weigerte, drohte er, mich in diese schmutzige Angelegenheit zu verwickeln. Ich bin die Sekretärin Seiner Hoheit. Ich habe Zugang zu allen Papieren. Er versuchte mich einzuschüchtern. Dann – dann kam mein Vater, und ich konnte mich befreien …«
    Sie brach ab, und Ashley sah, wie sie unter dem anerkennenden Blick Orgagnas stolz errötete. Plötzlich wurde ihm alles klar. Wenn erst Rossana beseitigt war, hatte Elena noch eine Chance. Sie konnte Orgagna zurückerobern. Oder erpressen. Beides war ein süßerer Sieg als der, den sie geplant hatte – süßer, weil er noch eine Hoffnung in sich barg. So einfach konnte er, Ashley, das nicht hinnehmen …
    »Hören Sie, Granforte …«
    »Bitte, Richard!« Es war Rossanas gequälte Stimme. »Sag nichts weiter. Nicht hier, nicht jetzt. Was auch immer du sagen magst, es wird so lange verdreht, bis es in ihr Lügengebäude paßt. Ich – ich habe versucht, dich zu warnen, aber du wolltest nicht hören. Diesmal … Bitte!«
    Er sah sie lange an. Er sah den Schmerz in ihren Augen und die Angst und die Erschöpfung. Und ihre enttäuschte, verwundete Liebe. Jetzt endlich waren sie Verbündete. Er hasste sich, weil er es erst so spät erkannte.
    »Was nun?« fragte Ashley Inspektor Granforte.
    »Angesichts des erdrückenden Beweismaterials bleibt mir keine andere Wahl, als Sie beide wegen Verschwörung und Mord in Untersuchungshaft zu nehmen.«
    »Ich verstehe.« Ashley stand auf. Die anderen beobachteten ihn neugierig. »In diesem Fall bitte ich um Erlaubnis, mein Büro in Rom anrufen zu dürfen, damit man sich mit der amerikanischen Botschaft in Verbindung setzt und mir einen Rechtsbeistand besorgt.«
    Granforte nickte.
    »Tun Sie das, Ashley.«
    Während dieser zum Telephon ging, fragte Orgagna scharf: »Ist das nicht etwas ungewöhnlich, Inspektor?«
    »Es ist eine Höflichkeit«, sagte Granforte verbindlich. »Unter den gegebenen Umständen wäre es unklug, sie zu verweigern.«
    Ashley wählte das Fernamt in Sorrent.
    »Urgentissimo. Dringend Presse Rom!« Er nannte die Nummer.
    Das Fräulein sagte, es würde eine halbe Stunde dauern. Der Amerikaner ging zu seinem Platz zurück.
    »Eine halbe Stunde Verzögerung«, erklärte er.
    »Wir werden warten«, entschied der Inspektor.
    Einen Augenblick lang sah es aus, als wollte Orgagna protestieren, doch er ließ es bei einer unwilligen Handbewegung bewenden. Carlo Carrese mischte neue Cocktails. Sie saßen da wie Fremde, die in einem Theaterfoyer auf das Klingeln warten. Aber hier gab es keine Klingel. Hier gab es nichts als das gleichmäßige Ticken der goldenen Uhr auf dem
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