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Die Stunde der Zaem

Die Stunde der Zaem

Titel: Die Stunde der Zaem
Autoren: Hubert Haensel
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Strafe?«
    Widerwillig winkte Burra ab.
    »Ich muß auf mich nehmen, was ich selbst herausgefordert habe. Doch bevor ich sterbe, werde ich mein Schwert nach ihm benennen.«
    Tertish gab sich keine Mühe, ihr spöttisches Grinsen zu verbergen. Umständlich erhob sie sich und ging auf Burra zu.
    »Du empfindest mehr für diesen Mann als für jede Gegnerin?«
    Eine Weile herrschte Schweigen. Der Reihe nach sah Burra ihre Gefährtinnen an.
    Da war Tertish, die Todgeweihte mit dem steifen linken Arm. Zu sterben - egal ob heute oder morgen - bedeutete ihr nichts. Sie hatte sich längst damit abgefunden.
    Dann Gorma. Ihr kantiges Gesicht ließ nicht erkennen, was sie dachte. Unbewegt hielten ihre schwarzen Augen Burras Blick stand.
    Gudun war vielleicht die begehrenswerteste von ihnen. Ihre Züge besaßen etwas Edles. Dabei war sie hart gegen sich und andere. Ihr anzusehen, was sie dachte, fiel mitunter sehr schwer.
    Alle drei waren hervorragende Kämpferinnen, dem Schwertmond treu ergeben, und sie hatten Burra von Anfang an auf ihren Reisen begleitet. Auch ihre Namen sprach man vielerorts mit Achtung aus.
    »Du zögerst«, ließ Tertish sich wieder vernehmen. »Was ist dieser Mann wirklich für dich - nur Gegner, Freund oder gar Gespiele? Willst du ihn besitzen? Ist es das, was dich Zaem gegenüber rechtfertigen soll?«
    »Ich brauche keine Entschuldigung für mein Handeln«, fuhr Burra auf. »Und selbst wenn - nichts läßt sich ungeschehen machen.«
    Mit hastiger Bewegung riß sie ihr Herzschwert aus der Scheide, wirbelte die Klinge einige Male durch die Luft und hielt sie dann mit ausgestrecktem Arm vor sich.
    »Ja, verdammt«, schnaufte sie. »Mythor ist für mich mehr als nur ein Mann. Auf unbestimmte Weise fühle ich mich zu ihm hingezogen, und gleichzeitig scheue ich davor zurück.«
    Gudun lächelte. Unergründlich war das Grün ihrer Augen. Einzig das Schwert in ihrer Hand redete eine deutliche Sprache.
    »Diese Klinge, die ich einst von Zaem erhielt, als ihr Kuß mich zur Amazone machte«, sagte Burra, »werde ich nach dem Sohn des Kometen benennen. Fortan soll sie Mythor heißen und zusammen mit Dämon für das Licht kämpfen.«
    »Du wirst beide nicht mehr lange führen«, bemerkte Gorma.
    »Ich weiß, was mich erwartet, nachdem ich mich zweimal dem Willen der Zaubermutter widersetzt habe. Doch niemand wird die Hand gegen mich erheben, selbst Zaem nicht.« Auf dem Absatz wirbelte sie herum.
    »Deine Ehre…«, warf Tertish ein, wurde indes jäh unterbrochen.
    »Sie gebietet mir, selbst die Waffe gegen mich zu richten«, fuhr Burra fort. »Ich werde den Freitod wählen, sobald Zaems Ansichten sich als richtig erweisen.« Sie stieß ihr Herzschwert heftig in die Scheide zurück.
*
    Zum erstenmal stand Mythor der Zaubermutter Zahda unter vier Augen gegenüber und sah all das bestätigt, was er bisher von ihr wußte.
    Die hellen, freundlichen Farben des Regenbogens dominierten.
    Zahda schien uralt. Auf ihrem Antlitz lag ein Zug von Güte und Milde, und aus ihren Augen sprach neben einem eisernen Willen auch der Sinn für die schönen Dinge des Lebens.
    Sie mag sich am Gesang eines Vogels mehr erfreuen als an einem Schaukampf zwischen Amazonen, durchzuckte es den Sohn des Kometen.
    Von Zahda ging etwas Unbeschreibliches aus, das ihn sofort in seinen Bann schlug. Vielleicht war es die Erfahrung, die ein hohes Alter mit sich bringt, gepaart mit dem Willen zum Frieden. Eine andere Erklärung dafür wußte Mythor nicht.
    Ihr Blick ruhte lange auf ihm, und er wagte es nicht, ihr Schweigen zu durchbrechen. Ein Hauch von Wehmut lag in der Luft - als bedauere Zahda, daß eigentlich Welten sie trennten.
    Oder war dem nicht so? Stand sie ihm näher, als es den Anschein hatte?
    »Schwarz war der Himmel, schwarz das Meer. In solchen Nächten wurden Prophezeiungen wahr und Helden geboren«, lächelte die Zaubermutter.
    »Ich verstehe dich nicht«, erwiderte Mythor. »Was meinst du damit?«
    »Es war nur ein Vers aus den geheimen Gesängen der Zaubermütter. Du wirst verstehen lernen, Mythor, wenn du erst alles weißt, was ich dir zu sagen habe. Oder soll ich dich, wie zu Anfang, Honga nennen? Manches kennst du bereits oder hast dir selbst einen Reim darauf gemacht.« Sie streckte die Hand aus: »Gib mir dein Schwert, laß mich sehen, welche Zeichen es trägt.«
    Fragend zog Mythor die Brauen zusammen, nickte dann kurz und reichte ihr Alton. Die Klinge verbreitete einen angenehm warmen Schimmer.
    Sanft strich Zahda mit der Linken
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