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Die Stunde Der Woelfe

Die Stunde Der Woelfe

Titel: Die Stunde Der Woelfe
Autoren: Carrie Vaughn
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Behindertengleichstellungsgesetz fallen?«
    Die Sendezeit verging wie im Flug. In der folgenden Woche stellten meine Hörer und ich Vermutungen an, welche geschichtlichen Persönlichkeiten heimlich Vampire und Werwölfe gewesen sein könnten. Mein persönlicher Favorit, den ein unerschrockener Anrufer vorgeschlagen hatte: General William T. Sherman sei ein Werwolf gewesen. Ich schlug ihn nach, und beim Anblick des Fotos glaubte ich
es gerne. Alle anderen Bürgerkriegsgeneräle sahen bieder aus, mit ordentlich zugeknöpfter Kleidung und gestutzten Bärten, doch Shermans Kragen stand offen, er hatte zerzaustes Haar, einen Dreitagebart und eine Miene, als sei ihm alles scheißegal. Oh ja! In der folgenden Woche hatte ich es mit einem halben Dutzend Anrufen zu tun, in denen es darum ging, wie man seiner Familie beibrachte, dass man ein Vampir oder Werwolf war. In der Beziehung hatte ich keine guten Antworten parat – meine Familie wusste bisher nichts. Es war ihnen schon nicht ganz geheuer, dass ich Radio-DJ war.
    Und so weiter. Ich hatte die Sendung zwei Monate lang moderiert, da rief mich Ozzie zu Hause an.
    Â»Kitty, du musst herkommen.«
    Â»Warum?«
    Â»Komm einfach her.«
    Sofort stellte ich mir etliche Albtraumszenarien vor. Ich hatte wegen einer meiner Äußerungen eine Klage am Hals. Die Baptisten hatten zum Boykott aufgerufen. Wobei das eigentlich sogar von Vorteil sein konnte. Kostenlose Publicity und so weiter. Oder jemand hatte sich oder jemand anderen aufgrund der Sendung umgebracht.
    Die Anfahrt mit dem Bus dauerte eine halbe Stunde. Ich hatte nicht geduscht und war schlecht gelaunt. Was immer Ozzie mir vorzuwerfen hatte, ich wollte es bloß hinter mich bringen.
    Die Tür zu seinem Büro stand offen. Ich steckte die Hände in meine Jackentaschen und stand leicht krumm da. »Ozzie?«
    Er blickte nicht von den Papierstapeln, Büchern und
Zeitungen auf, die über seinen Schreibtisch verteilt lagen. Ein Radio in der Ecke spielte KNOB. Eine leise gestellte, dahingenuschelte Nachrichtensendung. »Komm rein und mach die Tür zu.«
    Ich kam seiner Aufforderung nach. »Wo liegt das Problem? «
    Er blickte auf. »Problem? Es gibt kein Problem. Hier, sieh dir das an.« Er reichte mir einen Papierstapel.
    Die Seiten waren dicht bedruckt und in Juristenjargon gehalten. Es handelte sich um Verträge. Ich erkannte nur ein einziges Wort, bevor sich mein Blick trübte.
    Syndizierung.
    Als ich Ozzie erneut ansah, hatte er die Hände auf dem Schreibtisch gefaltet und grinste. Er sah unglaublich selbstzufrieden aus.
    Â»Was meinst du? Ein Dutzend Sender hat mich angerufen, weil sie deine Show bringen wollen. Ich unterzeichne als Produzent. Du kriegst für jeden neuen Sender, der die Rechte an der Sendung kauft, eine Gehaltserhöhung. Bist du mit von der Partie?«
    Das war eine große Sache. Es war landesweit, jedenfalls in begrenztem Umfang. Ich versuchte, das Angebot zu lesen. L.A. Sie wollten mich in L.A.? Das war … unglaublich. Ich lehnte mich an den Tisch und fing an zu kichern. Wow. Wow, wow, wow, wow! Ich konnte das auf keinen Fall tun. Das setzte Verantwortungsgefühl voraus, Engagement – Dinge, die ich gemieden hatte wie die Pest, seitdem … seitdem ich mich mit Leuten wie T.J. herumtrieb.
    Doch wenn ich es nicht tat, würde es jemand anders tun, jetzt, da die Hörfunkgemeinde auf den Geschmack
gekommen war. Und verdammt noch mal, das hier war mein Baby!
    Ich sagte: »Ich werde eine Website brauchen.«
    Am Abend besuchte ich T.J. in der Hütte, die er hinter einer Autowerkstatt Richtung Arvada angemietet hatte. T.J. hatte keine feste Stelle. Er reparierte Motorräder gegen Bargeld und behelligte die Menschenwelt ansonsten so gut wie nie. Ich schaute zweimal die Woche zum Abendessen vorbei. Er war ein passabler Koch. Wichtiger als seine Kochkünste war jedoch die Tatsache, dass er in der Lage war, mein Verlangen nach beinahe rohem Steak zu befriedigen.
    Ich hatte das Gefühl, T.J. schon seit einer Ewigkeit zu kennen. Mehr als jeder andere aus dem örtlichen Rudel hatte er mir damals geholfen, als ich noch neu gewesen war. Wir waren Freunde geworden. Er war kein Tyrann, der Schwächere schikanierte – viele benutzten das Werwolfsdasein als Vorwand, um sich schlecht benehmen zu können. Ich fühlte mich in seiner Gegenwart wohler als bei allen anderen. Bei ihm musste ich nicht so tun, als sei
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