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Die Stunde Der Woelfe

Die Stunde Der Woelfe

Titel: Die Stunde Der Woelfe
Autoren: Carrie Vaughn
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abgesehen davon, dass ich Stunden vor der Morgendämmerung, Stunden, bevor ich fertig war, aufgewacht war. Ich hatte vor Kälte gezittert und geweint, weil ich mich nicht daran erinnern konnte, wie ich nackt tief in den Wald geraten war. Das passierte nie, wenn ich andere Werwölfe um mich hatte, die es mir ins Gedächtnis riefen.
    Mein Magen fühlte sich wie ein Eisklumpen an. Dies würde nie leichter werden. Früher hatte ich mein eigenes Rudel gehabt. Ich war von Freunden umgeben gewesen, Menschen, bei denen ich darauf vertrauen konnte, dass
sie mich beschützten. Eine Wölfin war nicht dafür geschaffen, alleine umherzustreifen.
    Du wirst schon zurechtkommen. Du kannst alleine auf dich aufpassen.
    Ich saß im Auto, hatte das Lenkrad umklammert, und schloss krampfhaft die Augen, um nicht weinen zu müssen. Da war eine neue Stimme in meinem Kopf. Es war ein innerer Monolog, als sei sie Teil meines Bewusstseins. Diese Stimme beruhigte mich, versicherte mir, ich sei nicht verrückt, ermahnte mich, wenn ich mich töricht benahm, und überzeugte mich, dass ich schon zurechtkäme, sobald sich Selbstzweifel in mir regten. Die Stimme klang nach meinem besten Freund T.J. Er war gestorben, um mich zu beschützen, auf den Tag genau vor sechs Wochen. Das Alphamännchen unseres Rudels hatte ihn umgebracht, und ich hatte Denver verlassen müssen, um nicht auch noch das Zeitliche zu segnen. Immer wenn mich Selbstzweifel beschlichen, hörte ich T.J.s Stimme, die mir sagte, ich käme schon zurecht.
    Sein Tod hatte eine seltsame Wirkung auf mich gehabt. Die ersten ein oder zwei Wochen hatte ich das Gefühl, ziemlich gut damit zurechtzukommen. Ich hatte einen klaren Kopf behalten und machte einfach weiter. Diese Phase nennt man gemeinhin Verdrängen. Dann sah ich eines Tages auf dem Highway ein Pärchen auf einem Motorrad: Keiner von beiden trug einen Helm, ihre blonden Haare flatterten im Wind, und sie klammerte sich an seiner Lederjacke fest. Genau so, wie ich früher immer mit T.J. mitgefahren war. Das Loch, das er zurückgelassen hatte, klaffte auf einmal wieder offen, und ich musste bei der nächsten
Ausfahrt anhalten, weil ich in einen heftigen Weinkrampf ausbrach. Danach fühlte ich mich wie ein Zombie. Es kam mir vor, als lebte ich ein Leben, das gar nicht mir gehörte. Dieses neue Leben, das ich mir zugelegt hatte, fühlte sich an, als sei es schon immer so gewesen, und ich müsse mich eben daran gewöhnen, ob ich nun wollte oder nicht. Früher hatte ich ein Apartment, ein Wolfsrudel und einen besten Freund gehabt. Doch jenes Leben war verschwunden.
    Ich sperrte den Wagen ab, steckte die Schlüssel in meine Jeanstasche und entfernte mich von dem Parkplatz, verließ den Wanderweg und begab mich in die Wildnis. Die Nacht war klar und frisch. Jeder Lufthauch, jede Witterung brannte sich mir klar ein. Der geschwollene Mond, der hell erstrahlte, schob sich über die Bäume am Horizont. Er berührte mich, ich konnte spüren, wie das Licht über meine Haut strich. Ich bekam Gänsehaut an den Armen.
    In meinem Innern warf sich das wilde Tier hin und her. Mir war gleichzeitig berauscht und übel zumute. Ich würde glauben, mich übergeben zu müssen, doch stattdessen bräche die Wölfin aus mir hervor.
    Ich atmete weiterhin langsam und regelmäßig. Ich würde das Tier hinauslassen, wenn ich es draußen haben wollte, und keine Sekunde früher.
    Der Wald war silbern, die Bäume nur mehr Schatten. Abgefallene Blätter raschelten unter den Pfoten nächtlicher Tiere, die sich auf Nahrungssuche befanden. Ich achtete nicht auf die Geräusche, verdrängte das Bewusstsein des Lebens um mich her. Nachdem ich mir das T-Shirt ausgezogen
hatte, konnte ich spüren, wie der Mondschein meine Haut berührte.
    Ich legte meine Kleidungsstücke in den Hohlraum, den ein umgestürzter Baum und ein Felsblock bildeten. Die Höhle bot genügend Platz, dass ich darin schlafen konnte, wenn ich fertig war. Ich wich zurück, nackt, ein Kitzeln in jeder einzelnen Pore.
    Ich konnte dies alleine tun. Ich war in Sicherheit.
    Ich zählte von fünf rückwärts …
    Die Eins kam als Wolfsheulen hervor.
    Lesen Sie weiter in:
    Carrie Vaughn
    DIE STUNDE DER VAMPIRE

Danksagung
    Vielen Dank an Paula Balafas vom Wheatridge Police Department, weil sie den Polizeikram durchgesehen hat und weil sie mir eine beherzte literarische
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