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Die Stunde der Gladiatoren

Die Stunde der Gladiatoren

Titel: Die Stunde der Gladiatoren
Autoren: Uwe Klausner
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in seinen Schmollwinkel zurückgezogen, hatte Horaz, Ovid und die Selbstbetrachtungen des Mark Aurel studiert und so getan, als ginge ihn Politik, die Passion seines zum kaiserlichen Rat aufgestiegenen Vaters, nichts an. Erst wesentlich später, als er und der aufstrebende Stern am politischen Firmament Roms längst getrennte Wege gegangen waren, hatten ihn schließlich Gewissensbisse geplagt. Aber da war es bereits zu spät gewesen. Vater und Sohn waren einander fremd geworden, hatten sich, wenn überhaupt, nur noch wenig zu sagen gehabt.
    Vor einem Dreivierteljahr, kurz nach dem Sieg des Kaisers über Maxentius, war es dann geschehen. Vater, mittlerweile 70, Wortführer im Senat und im Bürgerkrieg auf der falschen Seite, hatte seinem Leben ein Ende gesetzt, einsam, verbittert und um die Früchte seines Wirkens betrogen.
    So wollte er, Varro, ganz gewiss nicht enden, bei allem Schmerz über den Verlust, den er zu spät als solchen empfunden hatte. Politik war nun einmal ein schmutziges Geschäft, und wer sich darauf einließ, lief Gefahr, Kopf und Kragen zu riskieren. Das war ihm des Öfteren bewusst geworden, je älter er wurde, desto mehr.
    Â»Ist ja gut, Dromas – ich komme gleich.« In Gedanken bei einem Thema, an das er heute, wo er auf Erholung bedacht war, lieber nicht erinnert werden wollte, fiel Varros Blick auf den Ring an seiner rechten Hand. Kaum war dies geschehen, wandte sich der Advocatus ab und heftete sich an die Fersen seines Hundes, der es nicht abwarten konnte, den Rundgang fortzusetzen. Varro war froh darüber, wohl wissend, dass er gut daran tat, die Vergangenheit ruhen zu lassen.
    Ruhe, welch schönes Wort. »Gaius – Frühstück! Bei meiner Jungfernschaft: Wo steckt der Junge bloß?« Der Advocatus konnte sich eines Schmunzelns nicht erwehren. Nirgendwo, nicht einmal vor dem Lararium, hatte man anscheinend seine Ruhe, schon gar nicht vor dem Organ seiner Amme, welches ihn, den ehemaligen Tribun, an den allmorgendlichen Weckruf beim Militär erinnerte. Obschon älter als 70, bestand Fortunata darauf, den Haushalt zu führen, und das, wie Varro immer wieder erfreut feststellte, besser als manche halb so alte Frau. »Gaius, die Zwiebeln werden …«
    Â»Moment, ich komme gleich!« Ein Lächeln im Gesicht, bückte sich der Hausherr nach dem hufeisenförmigen Feuerstein, welcher griffbereit neben dem Kultschrein lag, und schlug mit geübter Hand auf ein faustgroßes Stück Quarz. Funken sprühten, etliche davon auf den Zunderschwamm, den Varro, der es sich nicht nehmen ließ, dies selbst zu erledigen, mithilfe seines Atems zum Glühen brachte. Jetzt fehlte nur noch das mit Räucherwerk überzogene Stäbchen, und schon hatte das Ritual, für einen Mann seines Schlages eine Selbstverständlichkeit, seinen Anfang genommen.
    Â»Gaius Aurelius Varro, wenn du dich jetzt nicht beeilst, kannst du dir eine andere Haushälterin …«
    Â»â€¦ suchen, ich weiß!«, vollendete der Anwalt im Flüsterton, den Blick auf dem Bild, welches die Mitte des Kultschreins zierte. An sich, so fand er, war es gut gelungen, abgesehen vielleicht von dem Römer, welcher sich bei näherer Betrachtung als sein Vater entpuppte. Wie andernorts üblich, wurde Quintus Aurelius Varro, der Erbauer der Villa, von den in hochgegürtete Tuniken gehüllten Zwillingsgöttern flankiert. Besagte Laren trugen Trinkhörner in der Hand, eine, wie Varro nicht zu Unrecht vermutete, Anspielung auf den Lebenswandel seines Vaters, der ohne Falerner nicht hatte leben können. Am Fuß des Bildes wand sich eine Schlange durch das Gebüsch, im Begriff, die Opfergaben, unter anderem Wein, Feldfrüchte und frisches Brot, zu inspizieren. Sie stellte so etwas wie den guten Geist des Hauses dar, die passende Ergänzung zu Fortunata, deren Stimme wie ein Fanfarenstoß durch die Korridore der Villa Aurelia hallte. »Bin schon unterwegs!«

    *

    Vorbei am Peristylgarten, wo es nach Buchsbaum, Oleander und Schwertlilien duftete, humpelte der Advokat zur Küche. Dort wartete bereits sein Frühstück auf ihn. Und dort hatte sich auch Fortunata postiert, vor nunmehr vier Dezennien seine Amme und eine der Wenigen, auf deren Meinung er etwas gab. »Da hast du aber Glück gehabt, Dominus!«, redete ihn die beleibte Matrone mit seiner korrekten Bezeichnung an, nicht ohne einen Hauch von Spott, wie
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