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Die Straße

Die Straße

Titel: Die Straße
Autoren: Cormac McCarthy
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viel konnten sie tragen? Er stand da und schaute hinaus auf die öden Hänge. Die Asche fiel auf den Schnee, bis er fast völlig schwarz war.
     
     
    Bei jeder Kurve sah es so aus, als läge der Pass unmittelbar vor ihnen, und dann blieb er eines Abends stehen, blickte sich um und erkannte es. Er öffnete den Kragen seines Parkas, zog sich die Kapuze vom Kopf und lauschte. Der Wind in den toten schwarzen Tannenbeständen. Der leere Parkplatz am Aussichtspunkt. Der Junge stand neben ihm. Wo er selbst einmal vor langer Zeit im Winter mit seinem Vater gestanden hatte. Was ist denn, Papa?, fragte der Junge.
    Das ist der Sattel. Das ist es.
     
    Am Morgen marschierten sie weiter. Es war sehr kalt. Gegen Nachmittag begann es wieder zu schneien, und sie schlugen früh ihr Lager auf und sahen, unter den Wetterschutz der Plane gekauert, zu, wie der Schnee ins Feuer fiel. Am Morgen lagen mehrere Zentimeter Neuschnee auf dem Boden, aber es hatte zu schneien aufgehört, und es war so still, dass sie beinahe ihren Herzschlag hören konnten. Er häufte Holz auf die Glut, fachte das Feuer an und stapfte hinaus durch die Verwehungen, um den Wagen auszugraben. Er durchwühlte die Dosen und ging zurück, und am Feuer sitzend aßen sie ihre letzten Kräcker und eine Dose Würstchen. In einem Fach seines Rucksacks hatte er ein letztes halbes Päckchen Kakao gefunden, und er rührte für den Jungen welchen an, goss dann heißes Wasser in seinen Becher und blies auf den Rand.
    Du hast versprochen, dass du das nicht tust, sagte der Junge.
    Was denn?
    Du weißt genau, was, Papa.
    Er goss das heiße Wasser in den Topf zurück, nahm den Becher des Jungen, goss etwas Kakao in seinen eigenen Becher und reichte dem Jungen dessen Becher zurück.
    Ich muss dich ständig im Auge behalten, sagte der Junge.
    Ich weiß.
    Wenn man kleine Versprechen bricht, bricht man auch große. Das hast du selber gesagt.
    Ich weiß. Aber ich tu̕s nicht.
     
    Den ganzen Tag schleppten sie sich den Südhang der Wasserscheide hinunter. In den tieferen Verwehungen ließ sich der Wagen überhaupt nicht mehr schieben, und er musste ihn mit einer Hand hinter sich herziehen, während er einen Weg bahnte. Überall außer in den Bergen hätten sie etwas finden können, was sich als Schlitten hätte verwenden lassen. Ein altes Metallschild oder eine Dachblechplatte. Ihre Fußlappen waren durchweicht, und sie waren nass und froren den ganzen Tag. Er stützte sich auf den Wagen, um wieder zu Atem zu kommen, während der Junge wartete. Irgendwo auf dem Berg ertönte ein scharfes Krachen. Dann noch eines. Das war bloß ein umstürzender Baum, sagte er. Keine Sorge. Der Blick des Jungen war auf die toten Bäume am Straßenrand gerichtet. Keine Sorge, sagte der Mann. Früher oder später stürzen alle Bäume der Welt um. Aber nicht auf uns.
    Woher weißt du das?
    Ich weiß es eben.
     
    Sie stießen immer noch auf quer über der Straße liegende Bäume, die sie zwangen, den Wagen auszuladen, alles über die Stämme zu tragen und auf der anderen Seite wieder einzupacken. Der Junge fand Spielzeug, das er längst vergessen gehabt hatte. Er ließ einen gelben Lastwagen draußen, der oben auf der Plane stand, während sie weitergingen.
     
     
    Sie kampierten auf einem terrassenförmigen Stück Land jenseits eines zugefrorenen Baches an der Straße. Der Wind hatte die Asche vom Eis geweht, und das Eis war schwarz, sodass der Bach aussah wie ein sich durch den Wald windender Basaltpfad. Auf der Nordseite des Hanges, wo es nicht ganz so feucht war, sammelten sie Feuerholz, rissen ganze Bäume um und schleppten sie ins Lager. Sie machten Feuer, breiteten die Plane aus, hängten ihre feuchten Kleider auf Stangen, wo sie vor sich hin dampften und stanken, und der Mann drückte sich die Füße des Jungen an den Bauch, um sie warm zu halten, während sie, nackt in ihre Decken gehüllt, dasaßen.
     
     
    In der Nacht wachte er wimmernd auf, und der Mann nahm ihn in die Arme. Pst, sagte er. Pst. Schon gut.
    Ich habe einen schlimmen Traum gehabt.
    Ich weiß.
    Soll ich ihn dir erzählen?
    Wenn du möchtest.
    Ich hatte einen Pinguin, den konnte man aufziehen, und dann ist er losgewatschelt und hat mit den Flügeln geschlagen. Und wir waren in dem Haus, in dem wir gewohnt haben, und er ist um die Ecke gekommen, obwohl ihn niemand aufgezogen hatte, und das war richtig gruselig.
    Okay.
    Im Traum war es noch viel gruseliger.
    Ich weiß. Träume können richtig gruselig sein.
    Warum habe ich so einen
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