Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Straße in die Stadt

Die Straße in die Stadt

Titel: Die Straße in die Stadt
Autoren: Natalia Ginzburg
Vom Netzwerk:
fertig, um in die Stadt zu gehen, nahm das Geld, das meine Mutter mir dagelassen hatte, und ein Päckchen Kuchen, den die Tante gebacken hatte und den ich Giulio mitbringen sollte, doch als ich im Postbus saß, schenkte ich den Kuchen einer Frau. Die ganze Zeit im Bus dachte ich nur an die Stadt, die ich lange nicht mehr wiedergesehen hatte, und es gefiel mir auch, aus dem Fenster zu schauen und die Leute zu betrachten, die einstiegen, und zu hören, worüber sie redeten. Es war immer noch schöner als in der Küche, denn die traurigen Gedanken verschwanden angesichts so vieler Leute, die mich nicht kannten und nichts von meinen ganzen Geschichten wußten. Es freute mich, die Stadt mit den Bogengängen und dem Corso zu sehen, und ich sah mich um, ob der Nini zufällig da wäre, aber um diese Zeit mußte er in der Fabrik sein. Ich kaufte mir Strümpfe und ein Parfüm, das ›Notturno‹ hieß, bis mir kein Geld mehr blieb. Und dann ging ich zu Giulio. Seine Vermieterin, eine mit Schnurrbart, die beim Gehen das Bein nachzog, sagte zu mir, er schlafe und sie traue sich nicht, ihn zu wecken, aber wenn ich ein bißchen wartete, würde er aufstehen. Sie führte mich ins Wohnzimmer und öffnete die Fensterläden, setzte sich zu mir und begann, mir von ihrem Bein zu erzählen, das angeschwollen war, nachdem sie von der Leiter gefallen war, sie erzählte mir, wie sie es behandeln ließ und wieviel Geld sie dafür ausgeben mußte. Als sie hinausging, um dem Milchmann zu öffnen, zog ich schnell meine Strümpfe aus und streifte die neuen über, die ich gekauft hatte, und die alten, die kaputt waren, rollte ich zusammen und stopfte sie in die Tasche. Danach setzte ich mich wieder hin und wartete, bis die Vermieterin mich rufen kam, und ich fand Giulio in seinem Zimmer noch so verschlafen, daß er nicht begriff, wer ich war. Dann begann er, ohne Schuhe umherzugehen und seine Krawatte und seine Jacke zu suchen, und ich blätterte in seinen Büchern auf dem Tisch, aber er sagte zu mir, ich solle aufhören und nichts anfassen.
    »Wer weiß, warum du gekommen bist«, sagte er, »ich habe zu tun und es ist sehr bedauerlich, wenn ich Zeit verliere. Und was werden sie außerdem hier im Haus sagen, ich werde gewiß erklären müssen, wer du bist.«
    »Du wirst sagen, daß wir heiraten müssen«, sagte ich zu ihm, »oder willst du nicht mehr, daß wir heiraten?«
    »Du hast Angst, daß ich weglaufe«, sagte er voller Wut zu mir, »sei nur beruhigt, jetzt kann ich dir nicht mehr weglaufen.«
    »Hör zu«, sagte ich mit unbewegter, leiser Stimme, die nicht mir zu gehören schien. »Hör zu, ich weiß, daß dir nichts mehr an mir liegt. Und mir liegt auch nichts an dir. Aber heiraten mußt du mich, weil ich mich sonst in den Fluß stürze.«
    »Oh«, sagte er, »das hast du in irgendeinem Roman gelesen.«
    Aber er war ein wenig erschrocken und sagte zu mir, ich dürfe nicht mehr solche Dummheiten reden, und rief der Vermieterin zu, sie solle einen Kaffee machen. Nachdem ich den Kaffee getrunken hatte, trug er die Tassen hinaus und schloß dann die Tür ab und sagte zu mir, anstatt zu reden, könnten wir die Zeit besser verbringen.
    Als ich durch die Fensterscheiben sah, daß es dunkel war, sagte ich zu ihm, mein Postbus sei schon abgefahren, daraufhin schaute er auf die Uhr und sagte, ich solle mich beeilen mit dem Anziehen, vielleicht könnten wir es noch schaffen, ihn zu erreichen.
    »Wo bringe ich dich sonst heute nacht unter«, sagte er zu mir, »ich denke gar nicht daran, dich hierzubehalten, das Hinkebein würde es in der ganzen Stadt herumerzählen.«
    An der Bushaltestelle wurde er wütend auf mich, weil ich die Fahrkarte nicht fand, und dann, weil mir in der Eile die Tasche herunterfiel und die Strümpfe zum Vorschein kamen, die ich im Wohnzimmer ausgezogen hatte, und er sagte zu mir:
    »Du bist doch immer noch dieselbe. Du wirst nie lernen, wie man lebt.«

 

     
     
-

    I
    n der Nacht vor meiner Hochzeit weinte ich ununterbrochen, und die Tante wollte, daß ich mir zwei Stunden lang kalte Tücher aufs Gesicht legte, damit man es nicht so deutlich sähe. Dann wusch sie mir die Haare mit einem Ei und strich mir eine Creme auf die Hände, weil sie rot und rissig waren. Es war eine Creme, die die Contessa immer benutzte. Aber jedesmal, wenn jemand mit mir sprach, weinte ich, und ich war mitleiderregend mit den frischgewaschenen Haaren, die mir nach allen Seiten fielen, den verweinten Augen und dem zitternden Mund.
    Am Morgen kamen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher