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Die Stimme der Erde

Titel: Die Stimme der Erde
Autoren: Catherine Coulter
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...
    »Verdammnis!« brüllte er und nötigte Philbo zum Galopp. Er sah, daß Edmund dicht neben Philippa ritt. An ihrer anderen Seite hielt sich Eldwin. Und gleich hinter ihr kam Northbert, sein treuer Northbert. Sie hatte ihm den Sohn weggenommen, und seine Männer halfen ihr noch dabei. Die Wut durchrüttelte seinen Körper.
    »Bei Gott«, sagte Eldwin und drängte noch näher an Philippa heran. »Das ist der Herr! Seht, das ist Philbo, den er reitet! Er reitet wie der Teufel - genau auf uns zu.«
    »Ja«, sagte Edmund auf der anderen Seite, »das ist Papa!«
    »Endlich«, sagte Philippa und brachte die Stute zum Halten. Zum erstenmal in den letzten drei Tagen strahlten ihre Augen wieder, und sie richtete sich kerzengerade auf.
    Beim Anblick ihres Ehemanns vergaß Philippa allen Zorn auf ihn. Er hatte sich offenbar mit der Situation abgefunden und sich entschieden, sie trotz ihrer Herkunft als seine Frau zu akzeptieren. Wie schnell er ritt! Ihr wurde ganz warm ums Herz. Bald würde er sie in die Arme schließen, küssen und sie vor sich auf Philbo setzen, um sie auf dem Rückweg liebkosen zu können. Philippa überließ sich dem süßen Vorgefühl. Er würde sie lieben, und danach würden sie keinen Streit, keine hitzigen Debatten, kein gegenseitiges Anschreien mehr haben.
    Dann hörte sie den Hufschlag seines Rosses, und jetzt konnte sie schon sein Gesicht erkennen. Sie ritt ihm entgegen und wollte die Arme nach ihm ausstrecken und sich an seine Brust werfen, sobald er ihr nahe war.
    Dienwald riß an den Zügeln. Sein mächtiges Kampfroß schnaufte laut und stellte sich auf die Hinterbeine. »Philippa!«
    »Ja, mein Gatte. Ich bin hier und, wie du siehst, auch dein Sohn und deine Männer. Wir sind auf dem Wege zu ...«
    Er ließ Philbo nicht weiter an sie heran. Er brauchte Abstand. Er hatte das Feuer geschürt. Nun sollte es ihr entgegen lodern. »Du verdammtes Biest! Wie kannst du es wagen, dich davonzumachen und mir den Sohn zu stehlen! Ich weiß, wo du hinwillst, du bösartiges Weib. Du reitest mit meinen ungetreuen Männern an den Hof deines Vaters, um dich in der Gunst des Königs zu sonnen und ihm reiche Geschenke abzuschmeicheln. Treulose Dirne! Verschwinde aus meinen Augen! Ich will dich nicht haben, ich habe dich nie gewollt, und ich gebe dir die Peitsche zu schmecken, wenn du nicht auf der Stelle verschwindest! Hast du mich gehört, Dirne?«
    »Papa...«
    »Bald bist du vor ihr sicher, Edmund. Wir kehren nach St. Erth zurück, und alles wird wieder sein wie früher, bevor sie uns heimgesucht hat. Du hattest recht, Edmund: Sie ist eine Hexe, ein Fluch des Teufels. Sie hat nichts anderes getan, als dich zurechtzuweisen und uns alle von Anfang an mit ihrer giftigen Zunge zu verletzen. Du brauchst von jetzt an nicht mehr unter ihr zu leiden. Wir werden alle von ihr erlöst sein. Ihr, Eldwin, Galen, Northbert, ihr alle, trennt euch von ihr! Laßt sie allein weiterreiten! Sie ist das treuloseste Wesen, das es gibt!« Schweratmend hielt er inne.
    Galen nutzte den Augenblick, da Dienwald Luft holen mußte. »Herr«, sagte er schnell und winkte mit der Hand, um seine Aufmerksamkeit zu erregen. Der Herr war ja ganz durcheinander! »Was Ihr denkt, Herr, stimmt nicht. Ihr könnt das absurde Zeug, das Ihr redet, doch selber nicht glauben...«
    »Wir kehren sofort nach St. Erth zurück!« brüllte Dienwald. »Du aber verschwinde, Dirne! Du wirst mich nie mehr mit deinen Lügen quälen und mit deinem süßen Körper verführen!«
    Philippa hatte noch kein Wort gesagt. Er glaubte also wirklich, daß sie ihn verlassen und seinen Sohn mit sich an ihres Vaters Hof nach London nehmen wollte? Sie spürte eine Leere im Inneren. Dann überfiel sie schmerzliche Wut. Während er herumschrie, sie anblaffte und beleidigte, schaute sie ihn stumm an. Nun war alles vorbei. Ihr Traum von seiner Liebe hatte sich als lächerlich erwiesen.
    Jetzt beschimpfte er seine Männer, nannte sie treulose Hunde und niederträchtige Schurken. Endlich schwieg er. Schweigend ertrugen die Männer seine zornigen Blicke. Er fühlte sich von allen verraten. Ohne einen klaren Gedanken galoppierte er durch ihre Reihen. Er würde jetzt nach St. Erth zurückkehren. Sollten sie tun, was ihnen paßte! Wenn sie ihm folgen wollten, dann sollten sie es, verdammt noch mal, tun.
    Die Männer blieben in verstreuten Gruppen zurück. Pferde wieherten. Er hörte Galen schreien. Dann brüllte Northbert etwas, das er nicht verstehen konnte. Es kümmerte ihn auch nicht.
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