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Die Stimme der Erde

Titel: Die Stimme der Erde
Autoren: Catherine Coulter
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Kopf packte er Ivo oben am Waffenrock, wobei die kostbare Seide in Fetzen zerriß, und zog ihn fluchend von Philippa weg. Sie half ihrem Vater durch Schieben und Stoßen nach. Heulend landete Ivo auf dem Fußboden neben dem Bett, rollte auf den Rücken und starrte mit leerem Blick in Lord Henrys verzerrtes Gesicht.
    »My Lord, ich liebe Philippa, und Ihr müßt...«
    Lord Henry wandte sich an seine Tochter. »Hat dir dieser kleine Wurm etwas angetan, Philippa?«
    »Nein, Papa. Er hat den Kopf verloren.«
    »Besser er verliert den Kopf als du deine Jungfernschaft. Wie kommt er in dein Zimmer?«
    Philippa warf einen Blick auf den Mann, der sie hatte vergewaltigen wollen. »Er sagte, er müsse mich unbedingt sprechen. An so etwas hätte ich nicht im Traum gedacht. Ivo hat sich völlig vergessen.«
    Lord Henry war geschockt, als er Ivo de Vescy in einer eindeutigen Situation bei seiner Tochter antraf. Noch immer saß ihm der Schreck in den Gliedern. Vor ihm lag der junge Mann auf dem Rücken. Lord Henry schüttelte sich. Dann wurde er ruhiger. »Du bleibst hier, Philippa, und bringst deine Kleider in Ordnung! Und du wirst über diesen schlimmen Zwischenfall Schweigen bewahren. Unser aufgeregtes Hündchen hier werde ich mir selber vornehmen. Vielleicht zeige ich ihm, wie wir auf Beauchamp ungebärdige Hengste zu Wallachen kastrieren.«
    Er packte Ivo am Arm und riß ihn in die Höhe. »Ihr kommt mit mir, geiler junger Bock! Ich habe Euch eine Menge zu sagen.« Damit zog Lord Henry Ivo aus dem Zimmer.
    Philippa glättete ihre Röcke. Sie mußte daran denken, wie sich Ivos Hand an ihrem Oberschenkel hinaufgetastet hatte. Sie hätte ihm mit der Faust auf den stöhnenden Mund schlagen sollen, sie hätte ihm das Knie in die aufgerichtete Manneszier rammen sollen ... Jetzt hätte sie gern gewußt, was ihr Vater zu Ivo sagen würde. Daß er Bernice vergessen solle? Würde er Ivo aus der Burg Beau-champ hinauswerfen? Nein, Lord Henry würde ihn wohl kaum hinauswerfen. Er konnte es gar nicht. Bernice war zu sehr in Ivo de Vescy verliebt. Lady Maude wollte ihn als Bernices Ehemann sehen. Und Philippa teilte ihren Wunsch.
    Das Leben verlief nicht immer nach den Gesetzen der Vernunft. Damit konnte man nicht rechnen. Schon fünf Freier hatten um Bernices Hand angehalten. Sie würde eine reiche Mitgift in die Ehe bringen. Zwei Freier waren besinnungslos in sie verliebt gewesen, doch leider konnte sie ihre Gefühle nicht erwidern. Zwei andere hätten lieber Philippa zur Frau genommen, und Bemice hatte ihr unerklärlicherweise die Schuld daran gegeben. Und jetzt hatte nun Ivo de Vescy, der Mann mit dem süßesten Lächeln, der wie kein anderer eine Braue elegant heben konnte, der Mann, den Bernice am heißesten begehrte, der mit dem männlichsten Körper, jetzt hatte Ivo auch seine Meinung geändert!
    Was hatte Lord Henry ihm zu sagen? Philippa konnte nicht zulassen, daß Ivo aus Burg Beauchamp hinausgeworfen wurde. Bernice und Lady Maude würden es ihr nie verzeihen. Sie würden ihr beide vorwerfen, sie hätte versucht, Ivos Neigung zu erringen. Bernice würde ihr wahrscheinlich das Gesicht zerkratzen und an ihren Haaren reißen.
    Lautlos eilte Philippa die tief ausgetretenen Steinstufen hinunter in den großen Saal mit seinem riesigen Kamin und der hohen Decke mit den geschwärzten Holzbalken. Sie durchquerte den Saal und lief immer schneller in den Burghof und von dort zum Ostturm. Sie erklomm die feuchte Steintreppe ins Obergeschoß und rannte bis zu der Tür, die ins Zimmer ihres Vaters führte. Es wurde der Kriegsraum genannt, aber Philippa wußte, daß ihr Vater sich hier in langen Winternächten mit willigen jungen Mädchen vergnügte. Ohne Zögern öffnete sie die Tür einen Spalt. Nun sah sie ihren Vater an einer der schmalen Schießscharten stehen, die auf den Burggraben und darüber hinaus auf den Dunroyal-Wald hinausgingen. Vor ihm stand steif wie ein Pfahl Ivo de Vescy. Sie hörte ihren Vater in schneidendem Ton sagen: »Habt Ihr denn den Verstand verloren, Ihr dummer junger Kerl? Ihr könnt Philippa nicht bekommen! Bernice soll heiraten und nicht Philippa! Ich sage Euch das zum letztenmal.«
    Mürrisch, aber bemüht, wie ein echter Mann aufzutreten, nahm Ivo die Schultern zurück und drückte die Brust heraus. »My Lord, ich muß Euch bitten: Überlegt es Euch! Ich will Philippa haben! Ich bitte um Verzeihung, daß ich versucht habe, sie von ... meiner Zuneigung zu überzeugen...«
    »Ihr wolltet sie gerade vergewaltigen,
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