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Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon

Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon

Titel: Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon
Autoren: Charlotte Link
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können, die man von ihnen forderte, und um sich selbst zu ernähren, aber es gelang ihnen immer wieder, sich zu behaupten und ihre Unabhängigkeit zu bewahren. Ihr Land grenzte an das der Großgrundbesitzer Fairchild, gehörte aber nicht dazu, wie die Inschrift eines großen grauen Steines verkündete:
    Dieses Stück der Welt gehört den Belvilles, in Freiheit und Unabhängigkeit.
    Der Stein stand auf einem Hügel, von dem aus man den Hof sehen konnte. Er lag in einer Talsenke, ein altes, strohgedecktes Haus, umgeben von Ställen und Scheunen, eingeschlossen von einer steinernen Mauer, in der sich ein breites, hölzernes Hoftor befand. Vor dem Haus blühten rote und weiße Rosen, auf den Wiesen ringsum wuchsen Gänseblümchen und Klee und standen alte, knorrige Apfel- und Mirabellenbäume. Hühner scharrten in der Erde, Gänse schritten schnatternd umher, auf den Weiden grasten Kühe mit sanften, friedfertigen Gesichtern. Marmalon wirkte nicht reich, aber es strahlte Sauberkeit, Ruhe und eine gepflegte Schönheit aus. Am schönsten war es im Sommer, wenn es in einem Meer von Blumen versank und Schwalben durch die klare Luft flogen, sich auf dem Giebel des Hauses niederließen und die Katzen beäugten, die mit sonnenwarmem, seidig geputztem Fell unter ihnen einherschlichen. Niemand hätte vermutet, daß es in diesem gepflegten Anwesen keine Frau gab, daß nur ein Mann und ein kleiner Junge hier lebten, Bruce Belville und sein Sohn Frederic. Sarah Belville, Frederics Mutter, war drei Jahre zuvor am Fleckfieber gestorben, einer Seuche, die Shadow’s Eyes in regelmäßigen Abständen heimsuchte.

    Gleich neben dem Hoftor, zwischen der Mauer und einem leise plätschernden Bach, stand die alte Trauerweide, unter der die Kinder wie in einer dunklen Höhle kauerten. Es war ihr liebster Platz, und sie trafen sich täglich dort. Sie streiften durch alle Wälder der Umgegend, kannten jeden Baum, jeden Stein, aber nach ihren Ausflügen kehrten sie eilig zu ihrer Weide zurück, und Mary rannte oft so, als könne sie es nicht erwarten oder als fürchte sie, in der Zwischenzeit könne irgend etwas Böses geschehen sein. Meist bekam sie dann einen Hustenanfall, der sie nur so schüttelte, denn ihre Lungen waren krank, und für jede Anstrengung oder Aufregung mußte sie bezahlen. Auch heute dauerte es eine ganze Weile, bis sie wieder gleichmäßig atmen konnte, aber das kümmerte sie nicht weiter. Sie lag friedlich in Frederics Arme geschmiegt und blickte hinauf auf die winzigen Fetzen blauen Himmels, der zwischen den Blättern hindurchsah.
    Sie hatten wieder eine Zeitlang nicht gesprochen, da unterbrach Frederic das Schweigen erneut.
    »Mary, ich muß dir etwas sagen. Schon seit zwei Tagen eigentlich, aber ich weiß nicht, wie ich anfangen soll.«
    »Hmmh?«
    »Hörst du mir zu?«
    »Ja. Was ist denn?«
    Frederic drehte vorsichtig Marys Gesicht zu sich und sah sie an.
    »Ich gehe fort von hier«, sagte er. Mary richtete sich auf.
    »Fort?« wiederholte sie. »Wohin?«
    »Auf eine Schule. Eine, in der ich dann auch wohne, in der ich lebe. Ich werde natürlich manchmal nach Hause kommen, aber nicht oft, denn wir haben nicht so viel Geld. Und die Schule ist... ziemlich weit weg.«
    »Wo?« fragte Mary mit zitternder Stimme, obwohl es ihr eigentlich ganz gleich war, wo sich die Schule befand. Aus allem, was Frederic gesagt hatte, begriff sie nur, daß er fortgehen wollte, und dies ließ ihr eben noch glühendes Gesicht kalt wie Eis werden.
    »Sie ist in Southampton, Mary. Eine Schule für Jungen. Ich werde dort soviel lernen, was für mich wichtig ist und was viele nie lernen können, weil sie nicht genug Geld haben.«

    »Habt ihr genug?«
    »Mein Vater hat gespart die ganzen Jahre, und jetzt reicht es. Ich kann sechs Jahre dort bleiben. «
    »Sechs Jahre? « Vor Marys Augen begann sich alles zu drehen. Ihr wurde übel, der Schweiß brach ihr aus. »Sechs... nein, Frederic, das wirst du nicht tun, das darfst du nicht! Denk doch, was aus mir werden soll, wenn ich dich nicht mehr habe! Ich habe dann gar nichts mehr auf der Welt. Ich werde allein sein, und ich werde Angst haben. Nein, Frederic, sag, daß es nicht wahr ist!« Sie umklammerte mit beiden Händen seinen Arm und sah aus schreckgeweiteten Augen zu ihm auf. Frederic strich ihr die Haare aus der Stirn und versuchte, ihre kalten Wangen zu küssen, aber sie wich zurück.
    »Sag, daß es nicht wahr ist!«
    »Mary, doch, es ist wahr. Lieber Himmel, du bist ja totenbleich. Bitte,
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