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DIE STERBENDE ERDE

DIE STERBENDE ERDE

Titel: DIE STERBENDE ERDE
Autoren: Jack Vance
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Weibsgeschöpf nämlich, das im Wald lebte. Mit halbem Lächeln und immer wachsam kam sie auf ihrem Rappen, dessen Augen wie goldene Kristalle funkelten, zu seinem Garten geritten. Wie oft schon hatte Mazirian versucht, sie zu fangen, doch immer hatte ihr Pferd sie davongetragen, ehe seine verschiedensten Verlockungen, Drohungen und Listen Wirkung zeigten.
    Ein gellender Schmerzensschrei erschütterte den Garten.
    Mazirian beschleunigte seinen Schritt. Er fand einen Maulwurf, der am Stengel eines seiner Pflanzentierhybriden nagte. Er tötete den unverschämten Eindringling. Der Schmerzensschrei wurde zu einem dumpfen Keuchen. Mazirian streichelte tröstend ein pelziges Blatt, da stöhnte der rote Mund vor Wonne.
    Doch als der Magier weitergehen wollte, keckerte die Tierpflanze aufgeregt. Mazirian bückte sich und schob den Nager in den roten Mund. Das Pflanzentier schluckte, und der tote Maulwurf glitt in die Magenblase unter der Erde.
    Die Sonne stand niedrig am Himmel. So schwach und rot war sie, daß bereits die Sterne zu erkennen waren. Da spürte Mazirian, daß er beobachtet wurde. Es konnte nur die Frau aus dem Wald sein, denn derart hatte sie schon mehrmals auf sich aufmerksam gemacht. Er hielt im Schritt inne, um zu ergründen, aus welcher Richtung ihr Blick kam.
    Hastig stieß er einen Spruch der Unbeweglichkeit aus. Hinter ihm erstarrte die Tierpflanze, und ein großer grüner Falter sank zu Boden. Er wirbelte herum. Ah, da war sie – am Waldrand, näher denn je zuvor. Sie bewegte sich bei seiner Annäherung nicht. Mazirians jung-alte Augen leuchteten auf. Er würde sie ins Haus bringen und in einem Käfig aus grünem Glas halten.
    Er würde ihr Gehirn mit Feuer erforschen, mit Kälte, mit Schmerz und mit Freude. Sie sollte ihm Wein kredenzen und ihn mit den Achtzehn Gebärden der Verlockung bei gelbem Lampenlicht erfreuen. Ob sie hier war, um ihn zu beobachten?
    Er mußte es sofort herausfinden, denn er, der Magier, hatte viele Neider und keinen Freund, und er mußte seinen Garten ständig bewachen.
    Nun war sie nur noch zwanzig Schritt von ihm entfernt – da klapperten die schwarzen Hufe, als sie ihr Pferd herumriß und in den Wald zurückfloh.
    Vor Wut warf der Zauberer seinen Mantel von sich. Sie hatte einen Schutz – einen Gegenzauber, ein Amulett –, und immer kam sie daher, wenn er nicht darauf vorbereitet war, sie zu verfolgen. Er spähte durch das düstere Licht, sah sie und das Pferd durch das Rot eines letzten Sonnenstrahls huschen, dann umhüllten schwarze Schatten sie, und sie war verschwunden…
    War sie eine Hexe? Kam sie, weil sie selbst es wollte, oder –
    was ihm wahrscheinlicher schien – hatte ein Feind sie geschickt, um ihn zu beunruhigen? Wenn ja, wer mochte es sein, der ihre Schritte lenkte? War es Prinz Kandive, der Goldene von Kaiin, den er um das Geheimnis der Wiedergewonnenen Jugend betrogen hatte? Oder Azvan, der Astronom? Oder Turjan – nein, Turjan wohl kaum. Beim Gedanken an ihn leuchtete Mazirians Gesicht erfreut auf, aber er schob ihn beiseite. Bei Azvan, zumindest, würde es leicht sein, sich zu vergewissern. Er lenkte die Schritte in seinen Arbeitsraum, trat an einen Tisch, auf dem ein Würfel aus klarem Kristall stand, von dem ein schwaches rotes und blaues Leuchten ausging. Aus einem Schrank holte er einen Bronzegong und einen Silberhammer. Er klopfte auf den Gong.
    Ein weicher Ton schwang durch das Zimmer und hinaus in die Ferne. Noch einmal pochte er mit dem Hammer auf den Gong und noch einmal. Plötzlich erschien Azvans Gesicht in dem Kristall. Es glitzerte vom Schweiß des Schmerzes und größter Angst.
    »Gnade, Mazirian!« rief Azvan. »Schlagt nicht mehr auf den Gong meines Lebens!«
    Mazirian hielt inne. Der Hammer in seiner Hand war schon zum nächsten Schlag erhoben.
    »Spionierst du mir nach, Azvan? Hast du eine Frau ausgeschickt, um deinen Gong wiederzugewinnen?«
    »Nicht ich, Meister, nicht ich! Zu groß ist meine Furcht vor Euch.«
    »Du mußt mir die Frau ausliefern, Azvan. Ich bestehe darauf!«
    »Unmöglich, Meister! Ich weiß nicht, wer noch was sie ist!«
    Mazirian tat, als wolle er erneut auf den Gong schlagen. Azvan flehte und bettelte unterwürfig, daß Mazirian voll Verachtung den Hammer von sich warf und den Gong in den Schrank zurückstellte. Langsam schwand Azvans Gesicht, und der Kristallwürfel war wieder klar und durchsichtig.
    Mazirian rieb sich das Kinn. Es blieb ihm wohl nichts übrig, als das Mädchen selbst einzufangen. Später,
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