Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Staubfee

Die Staubfee

Titel: Die Staubfee
Autoren: Nicole Rensmann
Vom Netzwerk:
leise verhielten wir uns. Niemand traute sich, etwas zu sagen, gar durchzuatmen oder sich zu bewegen.
    Doch dann, endlich, stürzten die staubigen Wesen zu Boden. Lisa zuckte zusammen und ich hielt vor Schreck die Luft an.
    Auf dem dunkelbraunen Parkettboden legten sich die Körner rasch aneinander gereiht zusammen.
     
     

2.
     
    »Da steht ja was!« Laut las ich vor. Dies erwies sich als kompliziert, denn es fehlten einige Buchstaben. Außerdem lagen die Staubkörnchen nie ruhig, sondern schlängelten sich wie eine Schlange. Aber schließlich gelang es mir die Wörter zu entziffern.
     
    WIR SIND DIE STAUBARMEE
    UNSERE ANFÜHRERIN HEISST STAUBFEE
     
    Ich spürte, wie meine Ohren warm wurden. Das passiert mir stets, wenn ich aufgeregt bin. Gleich würde Lisa über meine roten Ohrmuscheln herziehen. Doch ein rascher Blick auf sie zeigte mir, dass ihre Wangen vor Begeisterung glühten und ihr mein Aussehen vollkommen egal war. Mama blinzelte mehrmals, dann zwickte sie sich in eine Wange, als glaubte sie zu träumen.
    Eine Staubarmee, angeführt von einer Staubfee. Unglaublich! Was wollten sie wohl hier bei uns? Noch bevor ich meine Frage stellen konnte, störte uns das schrille Läuten des Telefons.
    Schnell umringte die Staubarmee ihre Fee wie ein Bienenschwarm, der seine Königin vor möglichen Angreifern behütet. Das Staubvolk suchte Schutz hinter dem Kleiderschrank.
    Das Telefon schellte noch einige Male, doch keiner von uns nahm den Anruf entgegen. Als das Läuten endlich verstummte, erschien mir die Stille als quälend. Ich war froh, als Lisa rief: »Waren die echt?«
    Mama fuhr sich mit einer Hand über die Stirn. Bevor sie antwortete, räusperte sie sich. »Ich glaube schon, oder?«
    »Na klar war das echt. Haste doch gesehen«, mischte ich mich ein.
    »Und wenn sie böse sind?« Lisa verzog ihr Gesicht. Gleich würde sie zu weinen beginnen.
    »Du bist ein Angsthase«, lachte ich sie aus.
    »Nein, bin ich nicht!«
    »Bis du ja wohl. Angsthase. Angsthase!« Ich lachte und hüpfte auf und ab.
    »Ben!«, ermahnte mich meine Mutter streng.
    »Is´ doch wahr.« Ich zog mit der Fußspitze Kreise auf dem Boden und schaute Lisa nicht mehr an.
    »Es ist schön, dass du so mutig bist, aber lass Lisa ruhig ihr Misstrauen. Deshalb ist sie noch lange kein Angsthase, sondern nur vorsichtig.«
    Daraufhin schickte uns Mama in unsere Zimmer, doch wir wollten noch mit ihr zusammensein. Schließlich hatten wir soeben ein besonderes Erlebnis miteinander geteilt. Darum baten wir um Tee, den wir jedoch nur in der Küche trinken durften.
    Gemeinsam gingen wir in die Küche. Während Mama Wasser aufsetzte und Tassen bereit stellte, tuschelten wir über die Staubfee. Es war so aufregend! Eine Fee, in unserem Haus! Doch was mussten wir unternehmen, falls die Staubfee und die Armee uns aus dem Haus herausstauben wollten? Wir kicherten und erfanden abenteuerliche Geschichten.
    »Habt ihr auch Hunger?«, fragte Mama als sie die Tassen mit dem dampfenden Tee vor uns auf den Küchentisch stellte. Wir schüttelten unsere Köpfe. Mama starrte den sich kräuselnden Dampfschwaden nach, die von der Tasse aufstiegen und dachte über das merkwürdige Erlebnis nach, zumindest sah sie so aus. Lisa erhob sich, nahm ihren Teebeutel aus dem Becher und trug ihn vor sich her, um ihn in den Mülleimer zu werfen. Dabei hinterließ sie zahlreiche rote Teeflecken auf dem weißen Kachelboden. »Och, Lisa«, sagte Mama. »Putz das bitte weg.«
    »Ja, ja«, kam es genervt zurück.
    Doch dann hockte Lisa regungslos vor dem Schrank, in dem der Mülleimer stand.
    Die Neugier trieb mich zu meiner Schwester. »Was issen da?«, fragte ich. Lisa deutete mit dem Zeigefinger in eine Ecke. Nun wollte auch Mama sehen, was im Schrank lauerte und beugte sich über uns.
    So knieten wir eine Weile schweigend und starrten auf den geheimnisvollen Inhalt des Schrankes, der sich weit hinten in der Ecke versteckte. Wir warteten, hofften auf eine Regung, ein Zeichen, doch es geschah nichts.
    Mama richtete sich mühevoll auf. »Das ist nicht die Staubfee. Das ist Dreck.« Sie griff nach dem Putzlappen auf der Spüle.
    Lisa sprang auf, Tränen liefen ihr über die Wangen: »Woher willst du das wissen?, brüllte sie. »Das kann doch die Armee sein, oder vielleicht wohnen dort ihre Babies drin! Das darfst du nicht wegwischen, Mama!«
    Auch ich protestierte und entwendete meiner Mutter den Lappen. In hohem Bogen schmiss ich ihn auf den Küchenschrank.
    »Jetzt reicht es aber!«
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher